Der Vorstandschef von VW, Herbert Diess, hat in den vergangenen Jahren für viele schlechte Nachrichten einstehen müssen. Auch bei der gerade erfolgten Vorstellung der Jahresbilanz 2020 musste er zugeben, dass der Konzern 45 Prozent weniger als im Vorjahr verdient hatte. Die Folgen des Abgasbetrugs wurden durch die Corona-Krise zusätzlich verschärft. Wann aber kommt das Positive?
Es gibt ein Zauberwort und es gibt eine Zauberstrategie: Elektromobilität. Darin will VW nun Marktführer werden, zumindest in Europa und am liebsten gleich weltweit. Unter dem macht man es nicht in Wolfsburg. Der Haken ist nur, dass die Kunden nach wie vor mit Vorliebe konventionelle Autos kaufen. Zwar gab es in Deutschland im Jahr 2020 eine Steigerung auf nahezu 200’000 neu zugelassene Elektroautos, gemessen an den fast 2,9 Millionen erstmals zugelassener konventioneller Fahrzeuge, insgesamt aber ist die Quote bescheiden. Darauf eine Strategie zu gründen, die schon in den kommenden Jahren auf die Dominanz elektrischer Antriebe setzt, wirft die Frage auf, wie ernst die Wünsche der Kunden genommen werden.
In der Marktwirtschaft werden Produkte im Blick auf die Kundenwünsche entwickelt. Dabei hilft die Marktforschung, wobei diese Feedback-Schleifen in den vergangenen Jahrzehnten häufig viel zu eng gezogen wurden. VW macht jetzt aber das Gegenteil: Es werden Produkte entwickelt, an die sich im Zeichen der von der EU verordneten Grenzwerte die Kundenwünsche gefälligst anzupassen haben.
Diese Produkte aber sind Mogelpackungen. Die Herstellung und später die Entsorgung der schadstoffreichen Batterien sind alles andere als umweltfreundlich. Und woher soll der massenhaft benötigte Strom kommen? Da wünschte man sich eine Technikfolgenabschätzung mit plausiblen Antworten. Statt dessen gibt es bloss den Blick auf erwartete Marktanteile, die auch in China beachtliche Grössenordnungen erreichen sollen.
VW, aber auch andere Marken, versuchen, mit ihrer Produktpolitik einen Trend zu erzwingen, für den es bei der jetzt zu beobachtenden Nachfrage keine wirkliche Basis gibt. Der scheinbare Erfolg von Tesla vernebelt den Blick und ist kein Gegenargument. Denn der Aktienwert hat sich von den realen Verkaufszahlen völlig entkoppelt. Und das Werk, das Tesla derzeit in Brandenburg mit fabelhaften Versprechungen errichtet, befindet sich verbotswidrig mitten in einem Trinkwasserschutzgebiet und wird zudem nach Auskunft der örtlichen Wasserwerke zu einem dramatischen Wassermangel führen. Eine endgültige Bau- und Betriebsgenehmigung der zuständigen Behörden steht noch aus.
Zwar ist es richtig, in Anbetracht der Klimaproblematik drastisch umzusteuern. Aber es genügt nicht, so zu tun, als liesse sich auf der Basis von Elektromobilität eine schöne neue Welt bauen. Denn allzu viele Probleme sind noch völlig ungelöst. Kundenwünsche mögen fragwürdig sein, wie die ungebremste Nachfrage nach Sportwagen von Porsche zeigt, die die aktuelle Bilanz von VW sehr aufhübscht. Aber der Radius von E-Autos ist nach wie vor bescheiden, und die Ladeprobleme bieten Stoff für zahlreiche Anekdoten. Zudem wird die Erzeugung des zusätzlich benötigten Stroms zu mehr und mehr Konflikten führen, wie das Thema der Windkraftwerke erweist. Die Kunden spüren das, und es könnte Aufgabe der Grünen sein, vor falschen Propheten zu warnen.