Kleine Geschichte von Journal21. Montag, 25. Oktober 2021. Es war ein fast schon emotionaler Moment. Reinhard Meier, der damals diensthabende Redaktor, schaltete um 07.14 Uhr zum letzten Mal ein „Bild des Tages“ im „alten“ Journal21 auf.
Zu sehen sind Schafe in den Strassen von Madrid. Die Hirten demonstrierten für ihre Weiderechte.
Dann wurde der Vorhang gezogen. Das „alte“ Journal21 ist Geschichte.
Begonnen hatte alles vor über elf Jahren
In einem engen Saal im Zürcher Niederdorf hatten sich im Frühjahr 2010 etwa 80 Journalistinnen und Journalisten versammelt. Ein erstaunlicher Aufmarsch. Hatte ich doch lediglich einige Journalisten-Freunde angefragt, ob sie Lust hätten, mit mir eine Online-Zeitung zu lancieren – etwas, das es so noch nicht gab. Die Idee verbreitete sich schnell: die Freunde fragten andere Freunde – und diese noch andere.
So wuchs unsere Redaktion fast täglich: Wir waren Chefredaktoren, Ressortleiter, Korrespondenten, Redaktoren und Redaktorinnen, Journalisten und Journalistinnen der grossen schweizerischen Medien. Auch einige deutsche Kollegen und einige Professoren sind dabei.
Die meisten von uns sind frühpensioniert oder pensioniert. Alle haben jahrzehntelange Erfahrung. Wir sind x-mal um die Welt gereist, haben wichtige Menschen interviewt, waren in Konflikt- und Kriegsgebieten, haben über Hungersnöte in Afrika und Gipfeltreffen berichtet, waren Korrespondenten in den wichtigen Hotspots dieser Welt und haben uns ein breites Beziehungsnetz aufgebaut.
Wir müssen nicht auf Geldgeber Rücksicht nehmen. Wir müssen nicht Quoten nachjagen.
All das wollen wir nicht sausen lassen. Wenn man ein Journalist mit Leib und Seele ist (kein beamteter Journalist), kann man nicht nach der Pensionierung den Schalter drehen und sagen: So, jetzt bin ich nicht mehr Journalist. Auch ein Maler legt nicht mit 62 oder 65 den Pinsel zur Seite und sagt: So, das war’s jetzt.
Unser Geschäftsmodell war von Beginn an kein Geschäft: Keiner und keine von uns verdienten einen einzigen Rappen. Wir lebten von Anfang an mit Spenden und Gönnerbeiträgen. Das gibt uns viel Freiheit. Niemand bezahlt uns; wir müssen nicht auf Geldgeber Rücksicht nehmen. Wir müssen auch nicht Quoten nachjagen.
Attraktiver, glaubwürdiger Journalismus
Unser Ziel ist es, einem interessierten Publikum unser Wissen und unsere Erfahrung zur Verfügung zu stellen. Wir wollen einen fairen, seriösen, attraktiven, glaubwürdigen Journalismus betreiben – keinen schnellen Seifenblasen-Journalismus, keine Fake-News, keine Verschwörungsphantasien, keine Häme, kein Aufmerksamkeit-Erheischen um jeden Preis.
Wir haben Erfolg. Wir werden von Tausenden gelesen, vor allem von einem anspruchsvollen Publikum. Wir können nachweisen, dass wir auch von wichtigen Politikern und Politikerinnen und von Leuten aus der Wirtschaft und der Kultur konsumiert werden. Wir haben uns einen Platz in der schweizerischen Medienlandschaft erarbeitet.
Die Resonanz des Spendenaufrufs, den wir jetzt lanciert haben, war überwältigend. Das verstehen wir als Zeichen der Anerkennung für unsere Arbeit – und als Aufforderung, so weiterzumachen. Viele unserer Leserinnen und Leser haben uns im Hinblick auf unser „neues“ Journal anerkennende Zeilen geschrieben.
Zurück zum Anfang
Als wir uns in dem engen Saal im Zürcher Niederdorf trafen, war noch alles offen. Es ging recht chaotisch zu. Wir hatten noch nicht einmal einen Namen für unser Journal. Eine ehemalige Redaktorin der NZZ schlug vor: www.wiraltenhasen.ch.
Schliesslich entschieden wir uns für Journal21. Freunde sagten, ich hätte die 21 gewählt, weil ich an einem 21. Geburtstag habe. Eine nette Anekdote, nur stimmt sie nicht. Das 21 bezieht sich natürlich auf unser Jahrhundert.
Da wir ab und zu auch französische und englische Texte publizieren, wählten wir einen Begriff, der auch in diesen Sprachen funktioniert: eben „Journal“.
Am Anfang standen zwei Frauen: Nicole Kärcher, eine Webmasterin, programmierte die erste Version unseres Journals, und zwar in einem Rekordtempo von drei, vier Wochen auf der damals gültigen Version 6 des Content Management System (CMS) Drupal. Drupal ist einer der führenden Software-Anbieter. Nachteil war: Diese erste Version von Journal21 konnte noch nicht auf dem Handy abgerufen und gelesen werden – aber das war vor elf Jahren auch noch nicht gang und gäbe.
Janine Fuchs, eine Grafikerin, legte mehrere Konzepte vor. Es war eine intensive Zeit, ein Hin und Her von Vorschlägen und Ideen. Es waren auch emotionale Stunden. Wir sassen rund um einen Tisch und lernten die Eingeweide unseres „Babys“ kennen.
Den ersten Artikel schreibt Moritz Leuenberger
Und so gingen wir am 10. September 2010 erstmals aufs Netz. Den ersten Beitrag schrieb uns der damalige Bundesrat und Medienminister Moritz Leuenberger. Man stelle sich vor, ein Medienminister schreibt zum Start einer damals noch unbekannten Website einen Eröffnungsartikel. Wir waren natürlich stolz. Das grosse Echo überraschte und freute uns. Kurz nach dem Start erwähnte uns auch die Neue Zürcher Zeitung in einem Artikel. Da gab es etwas Neuartiges in der Medienlandschaft.
Im Jahr 2013 stiess ein neuer Webmaster und Programmierer zu uns: Lukas von Blarer verwirklichte dann die zweite Generation unseres Journals. Er hisste unsere Online-Zeitung von der 6. Drupal-Generation auf die 7. Generation. Das brachte uns technische Verbesserungen. Jetzt konnte unser Journal auch auf dem Handy abgerufen werden. Nachdem Lukas acht Jahre lang sehr gute Arbeit geleistet hatte, verliess er uns Anfang dieses Jahres. „Ich bin jung“, sagte er, „ich will jetzt noch andere Projekte favorisieren.“
Wir gingen also daran, einen neuen Webmaster und Programmierer zu suchen.
Zunächst hatte sich unser Leitungsteam mehrmals via Zoom zusammengeschlossen, um über die Anforderungen der neuen Website zu diskutieren. Wir stellten zehn Grundsätze auf, die wir bei der Realisierung des neuen Produkts verwirklichen wollten.
Wir wollen kein Gezappel, wie es heute üblich ist. Keine lästigen Werbeunterbrüche.
Unter anderem: Wir wollen nach wie vor einen ruhigen, edlen Auftritt, kein Gezappel, wie es heute üblich ist, keine lästigen Werbeunterbrüche. Das dezente Layout soll auch Ausdruck sein, dass wir keinen Gezappel-Journalismus bieten wollen, sondern anspruchsvolle Texte.
Schnell fanden wir einen Nachfolger für Lukas von Blarer: Das Unternehmen MD Systems in Zürich, spezialisiert auf Drupal, hat die Websites grosser Firmen und Zeitungen realisiert. Zu ihren Kunden zählen die Westschweizer Zeitung Le Temps, die Post, das Paul Scherrer Institut, die Unicef und die Südostschweiz.
Von riesiger Erfahrung profitieren
Im Mai dieses Jahres nahmen wir erstmals Kontakt mit Jerome Zech und Miro Dietiker von MD Systems auf – via Zoom. Und dann ging alles sehr schnell. Wir konnten sofort von der riesigen Erfahrung profitieren, die MD Systems hat. Mehrmals trafen wir uns und bauten zusammen unser neues Journal. Die Grafik besorgt wieder unsere Frau der ersten Stunde: Janine Fuchs.
Jetzt läuft Journal21 auf der Generation 9 von Drupal. Grosse Unternehmen und Medien verwenden dieses CMS. Im Einsatz ist Drupal unter anderem für die Nasa, Tesla und Le Figaro.
Das neue Journal ist frischer, kompakter, übersichtlicher, attraktiver. Die Schrift ist lesbarer, die Suchmaschine schneller. Die Bilder sind schärfer und hochwertiger. Vor allem aber wurde die Technik, der „Motor“ des Ganzen, grundlegend aufgerüstet und auf den modernsten Stand gebracht.
Am Dienstag, 26. Oktober 2021 um 09.42 Uhr wurde das „neue“ Journal21 erstmals aufgeschaltet. Wir hoffen, dass es Ihnen gefällt.
Heiner Hug