Die Sprache gibt nicht mehr her. Der Wortschatz ist erschöpft. Härter und beleidigender können sich der Iran und die USA nicht mehr beschimpfen und bedrohen. Was kommt nach dem verbalen Krieg? Ist ein realer Krieg unvermeidbar? Oder gibt es eine Möglichkeit zur Umkehr – und wenn ja, wie?
Nicht reformierbar
Die Islamische Republik sei kein Staat, keine normale Regierung, sondern ein mafioses Unternehmen, sagte Mike Pompeo Ende Juli in Los Angeles. Dort hatte der US-Aussenminister eine Gruppe iranischer Oppositioneller um sich geschart, um ihnen zu erklären, wie sich die Iran-Politik der Trump-Administration von der der Obama-Regierung unterscheide. Das iranische Regime sei nicht reformierbar: Daran liess Pompeo keinen Zweifel.
Trotz des eklatant aggressiven Verhaltens des Regimes hätten die USA und andere Länder seit Jahren angestrengt versucht, im Iran einen gemässigten Politiker ausfindig zu machen, berichtete Pompeo seinem iranischen Publikum und fügte dann unter dem Gelächter der Anwesenden hinzu: „Es ist aber wie die Suche nach einem iranischen Einhorn.“ Ergo müsse das Regime in seiner jetzigen Form verschwinden, so verstanden es jedenfalls alle, die dem US-Aussenminister lauschten.
Wie die letzten Monate Saddam Husseins
All das kommt einem irgendwie bekannt vor. Man erinnert sich zwangsläufig an den Irak in den letzten Monaten der Herrschaft von Saddam Hussein. Es ist zwar fast 15 Jahre her, doch die Parallelen sind frappierend. Auch damals gab es zunächst eine weltweit koordinierte Propaganda gegen das Regime in Bagdad, dann folgten Konferenzen der irakischen Auslandsopposition mit US-Politikern als Hauptredner. Aus diesen Konferenzen mauserte sich plötzlich der irakische Oppositionelle Ahmad Dschalabi heraus, der nach dem Krieg Saddam beerben sollte – und so geschah es dann auch.
Rohani wird zum Hardliner
Frappierend auch, dass der iranische Präsident heute – wie damals Saddam Hussein – von der „Mutter aller Kriege“ spricht, sollten die USA den Iran angreifen.
Vor zwei Wochen hatte Hassan Rohani bei einem Besuch in der Schweiz den USA gedroht: Sie sollten wissen, wenn der Iran sein Erdöl nicht verkaufen dürfe, werde niemand in der Region sein Öl exportieren können. Nach diesen Worten aus dem Munde eines angeblich gemässigten Präsidenten spekulierte sofort die ganze Welt, der Iran wolle die Meerenge von Hormus im persischen Golf blockieren.
Wie üblich antwortete Trump per Twitter, diesmal aber in Grossbuchstaben: „Bedrohen Sie nie wieder die USA oder Sie werden Konsequenzen von einer Art zu spüren bekommen, wie sie wenige zuvor in der Geschichte erleiden mussten.“
Der Schwanz des Löwen
Rohani liess sich zunächst drei Tage Zeit. Auf einer Versammlung mit allen Botschaftern des Iran in der ganzen Welt antwortete er dann herablassend: „Spiele nicht mit dem Schwanz des Löwen. Es gibt nicht nur die Meerenge von Hormus, in der Welt gibt es zahlreiche ähnliche Engen.“
Zufall oder nicht – als einen Tag später die schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen zwei saudische Öltanker in der Meerenge von Bab al Mandab im Roten Meer angriffen, wusste jeder: Es gibt tatsächlich genug und unterschiedliche „Engen“ in dieser Welt, wo der iranische Einfluss unübersehbar ist. Durch „das Tor der Tränen“ – wie Bab al Mandab auf Arabisch heisst – fliest seitdem kein saudisches Öl mehr.
Den Worten des Präsidenten folgten dann die professionellen Scharfmacher mit beleidigenderen Schimpf- und Schmähtiraden Richtung USA. „Hast Du vergessen, dass deine Soldaten im Irak aus Angst vor uns Windeln tragen mussten?“, rief Qasem Soleymani, Kommandant der Spezialtruppen der Revolutionsgarde im Ausland – der Quds-Brigaden – Donald Trump zu.
Sprachlich ist man damit jetzt praktisch am Ende. Man hat sich alles an den Kopf geworfen. Was nun?
Donald Trump hat sich längst entschieden. Er wolle gegen den Iran Sanktionen verhängen, die in der Geschichte beispiellos seien – so jedenfalls seine Ankündigung. Der Iran solle ab kommendem Herbst kein Öl mehr verkaufen können, niemand dürfe mit ihm in US-Dollar Geschäfte betreiben. Die Firmen sollen wählen: entweder Geschäfte mit dem Iran oder mit den USA. Trump setzt auf den totalen Niedergang der iranischen Wirtschaft und hofft auf einen Volksaufstand gegen die Mullahs.
Eine beispiellose Krise des Landes
Allein diese Ankündigungen haben die Islamische Republik in die tiefste Krise ihrer Geschichte gestürzt. Innerhalb der vergangenen zwei Monate hat die iranische Währung 50 Prozent ihres Wertes verloren – die Talfahrt geht rapide und buchstäblich stündlich weiter. Rund um den Teheraner Basar sind dieser Tage zivile Polizisten im Einsatz, um illegalen Devisenhandel zu unterbinden.
Die Händler horten ihre Waren, weil sie mit steigenden Preisen rechnen – und sie rechnen richtig. Warenknappheit herrscht überall. Es werde bald eine Zeit kommen, in der Verhältnisse herrschten wie einst unter Saddam im Irak – nämlich Erdöl gegen Nahrungsmittel, spekulieren viele Händler. Schon sind Ersatzteile für die Industrie unerschwinglich, bestimmte Medikamente werden unter dem Ladentisch gehandelt. Die Industrie liegt brach, die Arbeitslosigkeit unter jungen IranerInnen hat längst die 50-Prozent-Grenze überschritten.
Täglich wird im ganzen Land für mehrere Stunden der Strom abgestellt. Und das in einer Jahreszeit, in der in manchen Gegenden die Temperaturen bis auf 50 Grad Celsius klettern. Dazu kommt die Wasserknappheit. „79 Prozent der Fläche des Landes droht die Verwüstung“, sagte der iranische Innenminister vergangenen Montag.
Kurzum: Zu seinem 40. Geburtstag befindet sich der islamische Gottesstaat in der tiefsten Krise seiner Geschichte. Viele Beobachter meinen, das Regime werde diese Krise nicht überstehen – es sei denn sehr blutig. Der Zerfall ist unübersehbar.
Rettendes Angebot?
Der Rivale liegt also besiegt und erschöpft am Boden – und genau in dieser Situation bekommt er vom Gegner ein Gesprächsangebot. So liesse sich Trumps Bereitschaft, mit Rouhani zu reden, interpretieren. Und wenige Stunden nach dem überraschenden Angebot aus Washington lässt sich schon feststellen: Die Herrschenden in Teheran sind nicht abgeneigt. Sie wollen verhandeln, denn sie sehen ihre Macht schwinden.
Sicherlich ist es für die Mullahs schwierig, wenn ihnen der Feind abhanden kommt: Jener Feind, den man 40 Jahre lang als das Böse schlechthin darstellte, als den „grossen Satan“, der die Islamische Republik vernichten will.
Doch diese Umkehr sollte für die Propagandisten des islamischen Regimes kein unüberwindbares Hindernis darstellen. Sie sind in solchen Kehrtwenden geübt. Die Mullahs haben in ihrer vierzigjährigen Herrschaft schon viel grössere Klippen überwunden. Selbst in jenen Zeiten, in denen man die überzeugten Anhänger zu „Ungeheuerlichem“ – wie dem Waffenstillstand mit dem Irak 1988 oder der Aufgabe des Atomprogramms – bekehren musste. Heute geniesst diese Herrschaft bei der Mehrheit der IranerInnen kein Vertrauen mehr. Das gestehen sogar jene Presseorgane und Webseiten, die den Hardlinern sehr nahestehen.
Nordkorea als Modell?
Und für Trump scheint offenbar Nordkorea als Blaupause zu dienen. Ob er bei einem möglichen Treffen mit seinem iranischen Amtskollegen etwas Inhaltliches erreicht, scheint zweitrangig zu sein. Wichtig sind für ihn zunächst Bilder eines Handschlags mit Rohani, die um die Welt gehen. Die Sanktionen blieben trotzdem einstweilen bestehen.
Wenige Stunden nach Trumps Angebot zitierte die iranische Nachrichtenagentur IRNA Ali Khorram, den früheren Botschafter des Iran bei den Vereinten Nationen. Nordkorea tauge nicht als Schablone, so der Diplomat, der zu den Reformern gezählt wird. „In der Nachbarschaft Nordkoreas gibt es Mächte wie China und Südkorea, die wie Feuerwehren agieren und ein entstehendes Feuer sofort löschen, weil sie sich eine Annäherung zwischen den USA und Nordkorea wünschen. Doch im Falle des Iran ist das genau umgekehrt. In unserer Nachbarschaft gibt es Israel, Saudi-Arabien und andere Staaten, die andauernd zündeln, denn sie sind strikt gegen eine Normalisierung zwischen Teheran und Washington.“
Doch nicht nur in der Nachbarschaft, sondern auch zuhause gibt es genug mächtige „Zündler“ – jene einflussreichen Kreise, die den grössten Teil der iranischen Wirtschaft kontrollieren und deshalb jegliche Nähe zu den USA als eine Gefahr für ihre Interessen ansehen.
Rohani nur Bote seines Herrn
Ob Trumps überraschendes Angebot geplant oder nur spontanes und unüberlegtes Gerede war, wissen wir nicht. US-Aussenminister Pompeo hat das Angebot inzwischen mit Bedingungen versehen, die der Iran vor einem möglichen Treffen von Rohani und Trump erfüllen müsse. Ausserdem werden Trumps Berater ihm unterdessen sicher erläutert haben, dass der iranische Präsident keiner ist wie der in Washington. Rohani kann nur der Bote seines Herrn Ali Khamenei sein, der allein über alles Wichtige im Lande entscheidet – allemal über eine mögliche Annäherung an die USA.
Mit freundlicher Genehmigung des Iran-Journal