In der Amtszeit der beiden führenden Figuren der Grossbank konnten sich die Besitzer, die Aktionäre, einen zweistelligen Prozentsatz ihrer ursprünglichen Investition ans Bein streichen. Normalerweise der sicherste Grund, wieso das Führungspersonal abtreten muss. Aber doch nicht bei der CS.
Wissen und Unwissen
Der langjährige Chefjurist Rohner und der Investmentbanker Dougan haben Milliardenschäden im Gebiet ihrer Kernkompetenz zu verantworten. Diese muss die CS nicht zuletzt in Form von Multimillionenstrafen bitter büssen.
Zu ihrer Verteidigung führen Bonus-King Dougan und «weisse Weste»-Rohner an, dass sie sich die drei Affen als Vorbild genommen haben. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Und nichts wissen. Selbst wenn wir ihnen das glauben wollen: Wer alleine im Steuerstreit mit den USA für einen Schaden von 2,8 Milliarden Dollar verantwortlich ist, muss dafür Verantwortung übernehmen, indem er zurücktritt. Aber doch nicht bei der CS.
Führungsverantwortung
Es ist nun mal die Last einer Führungsaufgabe, dass nicht nur Unfähigkeit, sondern auch Unwissen nicht davor salviert, stellvertretend Verantwortung zu übernehmen. Das nennt man Vorbildfunktion. Diese Verantwortung ist wenn schon die einzige Begründung dafür, wieso Bankenlenker absurd hohe Gehälter kassieren.
Bedauerlicherweise herrscht in den Chefetagen Haftungsfreiheit. Noch niemals wurde in der Schweiz ein Mitglied der Geschäftsleitung oder des Verwaltungsrats dazu gezwungen, sich mit seiner Privatschatulle an Schäden zu beteiligen, die unter seiner Führung entstanden. Es bliebe die Übernahme von Verantwortung aus Gründen der Ehre, des Anstands, weil Führung Vorbild sein muss. Rücktritt als kleiner Schritt für den Betroffenen, aber als grosser Schritt für das Unternehmen. Aber doch nicht bei der CS.
Kollateralschäden
Dutzende, wohl Hunderte Mitarbeiter der Credit Suisse stehen vor dem Problem, dass ihre Daten, mit Einwilligung der Schweizer Regierung notabene, an die USA ausgeliefert wurden. Mit ihrer Zustimmung und auch ohne. Im Nachhinein versuchen nun einige, sich dagegen juristisch zu wehren. Sie wurden, obwohl sie nur Weisungen ihrer Vorgesetzten ausführten, vom harmlosen Backoffice-Bürolisten zum Schurkenbanker, der nicht weiss, ob er noch einen Schritt aus der Schweiz heraus wagen kann, ohne verhaftet zu werden.
Das ist auch einer der beiden Gründe, wieso die CS es nicht auf eine gerichtliche Aufarbeitung des Vorwurfs ankommen liess, systematisch gegen US-Gesetze verstossen zu haben. Denn bei einem Prozess wären die Verantwortlichkeiten abgeklärt worden. Und dabei wäre die Schutzbehauptung, dass nur einige niedrige Chargen ohne Wissen der Vorgesetzten, ohne Wissen der GL und des VR über die Stränge geschlagen hätten, entlarvt worden.
Alleine diese schäbige Haltung der Führungsspitze richtet in der Bank einen Schaden an, der zwar nicht in Geld zu beziffern, aber verheerend ist. Man stelle sich die Motivation eines Mitarbeiters vor, wenn der damit rechnen muss, durch das weisungsgemässe Ausführen von Anordnungen seines Vorgesetzten in Teufels Küche zu kommen. Obwohl ihm bedeutet wurde, dass das schon in Ordnung gehe, es sei eine Direktive von ganz oben. Entweder der Mitarbeiter weigert sich. Dann ist zumindest seine Karriere im Eimer. Oder er tut es. Dann auch.
Söldnermentalität
Allgemein üblich und verständlich ist in jeder hierarchisch aufgebauten Unternehmung das Gemecker der Angestellten, dass «die da oben» ein Riesengehalt einstreichen, an Erfolgen partizipieren, die doch nur durch den schweisstreibenden Einsatz von vielen nicht wirklich gut bezahlten Mitarbeitern erzielt wurden.
In einem Unternehmen, in dem der Chef der Patron ist, nämlich der Eigentümer, weiss der Mitarbeiter aber, dass der Besitzer persönliches Risiko trägt und schon mal schlaflose Nächte hat, wenn er nicht weiss, wie er am Monatsende pünktlich alle Gehälter zahlen soll. Das ist bei Grossbanken wie der CS anders. Dort sind die obersten Chefs, so wichtig sie sich auch aufplustern, ebenfalls nur Angestellte. Mit Arbeitsvertrag, Kündigungsfristen und monatlichem Saläreingang.
Sie sind keine Unternehmer, deshalb verhalten sie sich auch nicht so. Sie sind Söldner, gemietete Arbeitskräfte. Schlaflose Nächte sind ihnen fremd, ausser sie leiden unter Jetlag, weil sie furchtbar wichtig über den Planeten glühen. Meistens für Besprechungen, die man problemlos und kostengünstig auch per Skype abhalten könnte.
Warum keine Rücktritte?
Riesenverluste, Riesenbussen, Riesenversagen im eigenen Zuständigkeitsbereich. Führungsverantwortung, Ehre, Anstand, Vorbildfunktion. Alle Gründe sprechen für mindestens zwei Rücktritte bei der CS, keiner dagegen. Wieso passiert das nicht?
Den einzigen Grund, der dagegen spricht, kann man unter dem Begriff Blatter-Syndrom subsumieren. Auch der ehemalige deutsche Bundeskanzler Kohl und sein «Mädchen» Merkel haben Stilbildendes dazu beigetragen. Aussitzen. Abtropfen lassen. Freundlich lächelnd nichts sagen. Abwarten. Es geht vorbei. Das darf doch nicht wahr sein. Führung ohne Verantwortung. Versagen ohne Konsequenzen. Muss krachen. Aber doch nicht bei der CS.