Werden wir mal persönlich, soweit das die wohlbestückte juristische Abteilung der Credit Suisse zulässt. Der Verwaltungsratspräsident einer Firma ist der oberste Verantwortliche für die Strategie. Seine vornehmste und wichtigste Aufgabe ist, die Investition der Besitzer, also der Aktionäre, zu schützen, zu mehren und ihnen für ihr Risiko einen Return on Investment, vulgo Dividende, zu verschaffen.
Die Rahmenbedingungen
Das ist im modernen Banking ziemlich anspruchsvoll. Das ist bei einer weltweit tätigen Bank wie der Credit Suisse sehr anspruchsvoll. Steuerstreit, Investmentbanking, Regulierungswut, Zockereien im Casino der virtuellen Wettscheine, ruinierter Ruf der Banken, Skandale und Skandälchen, Bussen, die sogenannte Compliance, also die Einhaltung aller Verhaltensmassregeln, Richtlinien und Gesetze – eine herkulische Aufgabe.
Schön, wenn da ein Verwaltungsratspräsident vorher General Counsel der Bank war, also der juristische Oberaufseher. Von Haus aus Jurist, Wirtschaftsanwalt, das wären doch die besten Voraussetzungen, dass Rohner eine Erfolgsbilanz als VR-Präsident vorweisen könnte. Immerhin kassierte Rohner vom Amtsantritt 2011 bis Ende 2013 hübsche 14,4 Millionen Franken, wie der Finanzblog inside-paradeplatz ausrechnete. Nein, das wäre nicht zuviel, wenn Rohner seinen Job gut gemacht hätte.
Das bescheidene Ergebnis
Der Aktienkurs der CS sackte in der Amtszeit Rohners von vorher 37 auf 16 Franken ab und dümpelt seit einiger Zeit zwischen 24 und 28 Franken vor sich hin. Völlig unerreichbar scheint der Höchstkurs von 93 Franken, den CS-Aktien vor zehn Jahren mal hatten. Auch 60 Franken wie vor dem Amtsantritt Rohners sind für die CS-Besitzer nur ein nostalgischer Traum. Aus Sicht der Aktionäre ist Rohner also ein *.
Als Jurist und VR-Präsident wäre Rohner eigentlich die Idealbesetzung, um die richtige Strategie im Steuerstreit mit den USA vorzugeben. Stattdessen wird die CS wohl eine noch heftigere Busse bezahlen müssen als die UBS, obwohl die von Rohner präsidierte Bank im US-Geschäft viel weniger exponiert war. Obwohl man seit dem Fall UBS fünf Jahre Zeit hatte, aus diesem Debakel zu lernen und es besser zu machen, stehen wieder das hässliche Wort Notrecht und sogar eine Strafanklage gegen die Bank selbst im Raum.
Nun könnte man einwenden, dass das Umfeld garstig sei, es keine Bank, und erst echt keine Schweizer Bank einfach habe. Es sei also ungerecht, an der CS und an ihrem VR-Präsidenten rumzukritisieren. Aber die UBS, die vor fünf Jahren zwei Mal vor dem Abgrund gerettet werden musste und am Boden lag, ist in der Amtszeit von Rohner an der CS vorbeigezogen. Auf eigentlich allen Gebieten; Kernkapital, Aktienkursentwicklung, Neugeld, interner Umbau. Nur bei Bussen liegen die beiden Banken wohl weiterhin Kopf an Kopf.
Was kann der Mann?
Als Wirtschaftsjurist muss man nicht unbedingt die Feinheiten des modernen Investmentbanking verstehen. Man kann beim Wort Put an Golfen und bei Fonds an Saucen denken. Aber von juristischen Auseinandersetzungen sollte man schon eine Ahnung haben. Um so bedenklicher ist die Performance, wie der Banker so schön sagt, in den juristischen Auseinandersetzungen im US-Steuerstreit. Von einem Erfolg könnte man da nur sprechen, wenn die Strategie wäre: Wir machen das so teuer, langwierig, schmerzhaft und falsch wie möglich, und zwar bis zum GAU.
Was kann der Mann also? Er kann gut auf Tauchstation gehen. Wenn sich seine Führungscrew vor dem Senatsausschuss von Carl Levin zur Nullnummer macht, sagt er einsilbig, das sei «ausgezeichnet» gewesen. Öffentliche Auftritte, wenn es sich nicht um das Filmfestival seiner Lebensgefährtin handelt, vermeidet er. Strategische Vorgaben, Blick in die Zukunft, Leitlinien, Zielsetzungen, wenigstens ab und an ein klares Wort? Fehlanzeige.
Was fällt ihm anlässlich der aktuellen Generalversammlung der CS zum Stichwort Steuerstreit mit den USA ein? «Wir setzen alles daran, rasch zu einer Lösung zu kommen.» Fünf Jahre Gemurkse ohne absehbares Ende soll rasch sein? Ein Riesenschlamassel als Ergebnis, wenn Rohner «alles daran setzt»? Der Mann hat einfach Schwein, dass es bei Grossbanken keine funktionierende Aktionärsmitbestimmung gibt. Sonst wäre er an der GV fristlos und ohne goldenen Falschschirm von seinem Posten entfernt worden.
Die Kosten und Folgen
Die Rückstellungen der CS für Rechtsfälle sind mit 2,1 Milliarden Franken doppelt so hoch wie die Dividende. Selbst die 500 Key Risk Takers, wie im Banglisch die grossen Zockerkönige heissen, kassieren mit 1,3 Milliarden Franken mehr als die Besitzer der Bank an Dividende. Alleine 4,9 Millionen Franken kassiert Rohner für sein * im Jahre 2013.
Ist der Mann also untrennbar an seinen Sessel als VR-Präsident gelötet? Nein, da gibt es Hoffnung. Allerdings mit einem bitteren Beigeschmack. Geht alles weiter seinen Hürdenlauf, ist die Credit Suisse dann mal ein Übernahmekandidat für eine andere Grossbank. Spätestens, wenn diverse anstehende Grossbussen bezahlt werden müssen und die Grossaktionäre der Bank die Hoffnung aufgeben, wenigstens ihr Investment wieder unbeschädigt rauszukriegen. Da hilft dann nur noch ein Verkauf. Natürlich ohne Altlasten, also ohne den aktuellen Verwaltungsrat. Dann gibt’s kein Zurich Film Festival mehr. Aber auch das ist verkraftbar.
* Auf dringliches Anraten meines Anwalts ist hier ein Ausdruck der Selbstzensur zum Opfer gefallen. Für Ratespiele der Leser kann ich aber keine Verantwortung übernehmen.