Halbseitige Inserate: Roger (Schawinski), Gründer und Chef von Radio1, gegen Roger (Köppel), Verleger und Chefredaktor der «Weltwoche» – «zwei Standpunkte, zwei Meinungen» verheissen sie, und Letztere servieren die Rogers einmal pro Monat auch in Gaststätten der Region Zürich. Jeweils bis zu 300 Zuschauerinnen und Zuschauer applaudieren. Man kennt die beiden Protagonisten als scharfzüngige Debattierer. Gefährlicher wird es, wenn sie nicht nur debattieren, sondern meinen, auch vor Gericht klagen zu müssen.
So hat Roger Schawinski den Bündner Verleger Hanspeter Lebrument wegen Persönlichkeitsverletzung (ZGB) und Verletzung des wirtschaftlichen Rufs (UWG) eingeklagt; nach langem Vorgeplänkel sind jetzt zwei Zürcher Gerichte zu Entscheiden genötigt. A suivre.
Aber auch Roger Köppel hat geklagt: Er zog einen der letzten vollberuflichen Medienjournalisten der Schweiz, nämlich Rainer Stadler von der «NZZ», wegen einer Kolumne vor Gericht, die er als persönlichkeitsverletzend und geschäftsschädigend empfand. Das Zürcher Obergericht wies Köppels Klage hochkant ab. Weil der «Weltwöchner» auf den Weiterzug an das Bundesgericht verzichtete, ist das Zürcher Urteil jetzt rechtskräftig. Es enthält grundsätzliche Überlegungen.
Sauer aufgestossen ist Köppel eine Analyse von Rainer Stadler unter dem Titel «Keine gläserne Informationswelt – Medien, Macht und Dunkelmänner» («NZZ» vom 16. 2. 2010). Stadler spielte darin auf den damals aktuellen Verkauf der «Basler Zeitung» an und zitierte Spekulationen über ein «rechtes Mediennetzwerk», die unter anderem durch den Verkauf der «Weltwoche» an Roger Köppel 2006 genährt worden seien. «Die Hintergründe [dieser] Transaktion blieben im Dunkeln. Und damit gärt weiter die Frage: Wer wirkte als edler Gönner?» Wenn man die «Weltwoche» zur Hand nehme, wisse man zwar, dass sie vom rechtsliberalen zum nationalkonservativen Blatt mutiert sei. Unübersichtlicher erscheine hingegen die Lage auf einer «tieferen Ebene», im täglichen Betrieb mit seinen Beziehungsnetzen der Zeitungsmacher und allfälligen Einflussversuchen.
Köppel und die «Weltwoche» sahen sich in ihren persönlichen wie auch geschäftlichen Verhältnissen verletzt. Das Bezirksgericht Zürich wies die Klage am 16. Mai 2012 ab. Dagegen legten Köppel und die «Weltwoche» Berufung ein. Die «NZZ» habe ihnen eine Genugtuungszahlung von Fr. 10’000 zu leisten und alle Kosten zu tragen, die Kolumne sei aus den Internetarchiven zu löschen und das Urteil in der NZZ halbseitig zu veröffentlichen.
Die Klage behauptete, die Kolumne vermittle – auch mit Aussagen und Wertungen zwischen den Zeilen – beim Durchschnittsleser den Eindruck, dass bei der «Weltwoche» ein Dunkelmann Einfluss nehme. Der Kauf der «Weltwoche» werde als Schenkung dargestellt, die Existenz eines Gönners als Tatsache vorausgesetzt. Dabei habe Köppel öffentlich erklärt, er habe den Kauf durch Eigenkapital und Bankdarlehen finanziert – ohne Sicherheitsleistung eines Dritten. Über die Verträge seien vertragliche Stillschweigevereinbarungen abgeschlossen worden.
Trocken wies das Obergericht darauf hin, dass die «Weltwoche» am 19. Januar 2012 – also fast zwei Jahre nach Stadlers Kolumne – doch noch eingeräumt hatte, Tito Tettamanti habe Köppels Bankkredite abgesichert. Somit konnte die «NZZ» vor Gericht sehr wohl behaupten, es habe einen «Gönner» gegeben. Dem mochte Köppel weder vor Bezirks- noch vor Obergericht widersprechen. Ehrenschutz- oder Persönlichkeitsschutzverfahren könnten die Wahrheit einer Behauptung auch mit nachträglich aufgetauchten Fakten beweisen, schrieb das Obergericht zutreffend.
Im Mediensektor bestehe «ein öffentliches Informationsinteresse» an der Person des Eigentümers und an der Tatsache des Eigentums. In Bezug auf die «Weltwoche» gebe es nun trotz Köppels Beteuerungen einige Unklarheit, wie sich nachträglich herausgestellt habe. «Selbstredend genügt die Berufung auf (unbekannte) Stillschweigevereinbarungen nicht, um dem Vorwurf der Intransparenz zu entgehen», betonte das Obergericht richtigerweise. Schliesslich habe die «Weltwoche» selbst – allerdings spät – etwas mehr Klarheit geschaffen. [Ich habe Köppel am Rande von «Roger gegen Roger» auf diesen im Urteil herausgehobenen Umstand angesprochen: Er sagt, ein Kolumnist habe diese Behauptung in die «Weltwoche» gerückt; er habe ihn nach Erscheinen sofort getadelt. Der Tadel ist aber offenbar nicht in die Gerichtsakten gelangt]. Ungerührt unterstrich das Obergericht: Köppel sei eine weitherum bekannte öffentliche Person und müsse sich solche Fragen im Sinne einer «begründeten Vermutung» gefallen lassen. Das ergebe sich schon aus der «überragenden Bedeutung der Medien» [für die demokratische Gesellschaft].
Köppel hatte sich auch darüber beschwert, dass Stadler ihm keine rechtzeitige Gelegenheit zur Beantwortung offener Fragen geboten habe. Obergericht Zürich: «Wird von einer Anhörung der Betroffenen abgesehen, macht dies die Presseäusserung nicht per se rechtswidrig. Köppel und die ‹Weltwoche» hätten das Recht auf Gegendarstellung ausüben können (Art. 28g ZGB).› Das ist der einzige Passus im Urteil, der mir nur schwer einleuchtet. «Nicht per se rechtswidrig» – formaljuristisch vielleicht. Aber der Schweizer Presserat hat die Anhörung von Betroffenen bei schweren Vorwürfen, mithin vor der ersten Publikation, längst als Kernregel der Fairness eingeführt (Richtlinie 3.8.). Und das Zürcher Obergericht hatte sich diesem medienethischen Prinzip vor zehn Jahren angeschlossen (Urteil «Melkmeister» gegen «SonntagsBlick», referiert in der Zeitschrift «Medialex», 2005, S. 53f). Das ist eine vorrrangige Handwerksregel für guten Journalismus, die ebenso bei Andeutungen in Kolumnen erwünscht wäre – wenn auch weniger imperativ als bei harten Sachbehauptungen. Eine vorgängige Rückfrage beim Betroffenen ist fairer als eine nachherige Gegendarstellung, bitte!
Fazit: Roger gegen Roger, als Rednerduell meinetwegen. Der Unterhaltungswert ist hoch. Das gut durchmischte Publikum ging begeistert mit am Montagabend. Klagen der Rogers wegen Persönlichkeitsverletzung sind hingegen langwierig und teuer (Köppel/«Weltwoche» müssen rund 16’000 Franken Gerichtsgebühren und rund 14’500 Franken Entschädigung für die Anwältin der «NZZ» aufwerfen; eigene Anwaltskosten nicht mitgerechnet).
Ratschlag eines alten Medienjuristen: Klagt weniger vor Gericht, duelliert Euch lieber halbfriedlich in den Medien!
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Der Text ist diese Woche in www.Medienspiegel.ch erschienen.