Der ehrenwerte Richter Jed Rakoff amtiert seit 1996 an einem Bezirksgericht, das für den südlichen Distrikt für New York zuständig ist. Als im Februar 2012 zum ersten Mal in der Rechtsgeschichte der USA eine Anklage wegen «Verschwörung» gegen eine ausländische Bank eingereicht wurde, hinderte ihn das aber nicht daran, sich für zuständig zu erklären.
Reiner Rechtsimperialismus
Eine solche Anklage bedeutet, dass das Finanzinstitut sofort von allen Geschäften im Dollarbereich abgeschnitten wird – das Todesurteil. Aus diesem Grund hat es noch keine Bank der Welt gewagt, den in zivilisierten Staaten üblichen Rechtsweg zu beschreiten. Der bestünde in Anklage, Verteidigung, Prozess, und bis zum letztinstanzlichen Urteil gilt die Unschuldsvermutung.
Stattdessen musste sich die angeklagte Privatbank Wegelin selbst entleiben, obwohl sie keine Filiale im südlichen Distrikt New Yorks oder in den USA unterhalten und niemals gegen Schweizer Gesetze verstossen hatte. Sie stand vor der Alternative: Entweder lässt du dich auf einen Deal ein und legst ein Schuldgeständnis ab, oder wir machen dich fertig. Aber du hast die freie Wahl.
Wildwest-Justiz
Diese Art von Wildwest-Justiz entspricht offenbar dem Rechtsverständnis des ehrenwerten Richters Rakoff, der das anfängliche Nichterscheinen der Bank vor seinem Gericht als «Respektlosigkeit gegenüber dem amerikanischen Recht» titulierte. Rakoff erklärte die Bank für «flüchtig» und regte zuhanden der US-Staatsanwaltschaft an, «Haftbefehle gegen die Partner der Bank anzufordern».
Da haben die Teilhaber von Wegelin Glück gehabt, dass sie nicht in der Schweiz gekidnappt und in die USA entführt wurden. Denn Richter Rakoff verknackte auch schon einen russischen Staatsangehörigen zu 20 Jahren Gefängnis, der in einer Geheimoperation der USA in Liberia gekidnappt und vor sein Gericht verschleppt worden war. Seither hat er ein Einreiseverbot für Russland.
Folgenlose Strafanzeige in der Schweiz
Aber nicht für die Schweiz. Deshalb konnte Rakoff letzte Woche an der Universität Zürich an einem Seminar teilnehmen und einen Vortrag zum Thema «International Jurisdiction of US Courts» halten. Eingeladen vom Europainstitut der Uni durfte er den Schweizer Eingeborenen erklären, wieso es schon richtig ist, dass eine Schweizer Bank mit blütenweisser Weste vor sein Bezirksgericht geschleppt wurde und ein Schuldeingeständnis ablegen musste. Ihm war es völlig egal, ob diese Bank gegen Schweizer Gesetze verstossen würde, wenn sie sich allen Forderungen der Anklage beugte. Also ein Richter ohne jedes Unrechtsbewusstsein.
Um zu überprüfen, ob Schweizer Gesetze wenigstens noch in der Schweiz gelten, reichte ich am 2. Dezember 2013 eine Strafanzeige wegen Nötigung, Erpressung und Amtsmissbrauch gegen Rakoff ein. Da es sich um Offizialdelikte handelt, ist jeder Staatsbürger dazu berechtigt, und die zuständige Staatsanwaltschaft muss eine Untersuchung einleiten. Da Rakoff über keinen festen Wohnsitz in der Schweiz verfügt, regte ich eine polizeiliche Vorführung zwecks Befragung an. Leider brütet die zuständige Staatsanwaltschaft bis heute über der Frage, ob sie tätig werden will oder doch lieber nicht.
Abschreckung war die Absicht
Währenddessen erledigte Richter Rakoff, begleitet von seiner Gattin, noch in aller Ruhe sein Weihnachts-Shopping an der Zürcher Bahnhofstrasse: «Wir sind gerade zum ersten Mal Grosseltern geworden und wollen zu Franz Carl Weber», verriet Ann Rakoff der «Sonntagszeitung». Während ihr Gatte in der «NZZ am Sonntag» unwidersprochen heucheln konnte: «Mir ist bis heute nicht klar, warum sich die Bank (gemeint ist Wegelin) zum Aufhören entschied.»
Was er persönlich vom Ende der 1741 gegründeten, wohl ältesten Privatbank der Schweiz hält, macht Rakoff in der «Handelszeitung» unmissverständlich klar: «Ehrlich, ich weine dem Bankhaus Wegelin keine Träne nach.» In aller rechtsimperialistischen Offenheit fügt er hinzu, dass «Abschreckung sehr wohl die Absicht der US-Regierung» war. Ein Urteil als Drohgebärde, was für eine perverse Auffassung von Rechtsstaatlichkeit aus dem Mund eines Richters.
Witze übers Bimboland Schweiz
Immerhin wurde Rakoff offenbar die Existenz einer Strafanzeige zur Kenntnis gebracht. Im Gegensatz zu den über 30 Schweizer Bankern, die bereits in den USA verhaftet wurden oder gegen die Haftbefehle vorliegen, im Gegensatz zum Ex-UBS-Kadermann Raoul Weil, der – in Italien verhaftet und an die USA ausgeliefert – gerade vor dem Bundesgericht in Fort Lauderdale (Florida) vorgeführt wurde, kann Rakoff eine solche Strafanzeige in der Schweiz auf die leichte Schulter nehmen: «Mir käme jede gute Begründung recht, damit ich mehr Zeit in diesem wundervollen Land verbringen könnte», lässt er sich in der SoZ vernehmen.
Alles eine Frage der Perspektive. Während sich für Rakoff die Schweiz wunderbar dafür eignet, etwas Shopping, Chocolate and Sightseeing zu geniessen und einen netten Joke über ihr zahnloses Rechtssystem zu reissen, dürfen die Eidgenossen zur Kenntnis nehmen, dass fremde Vögte gastfreundlich eingeladen und verwöhnt werden. Das war früher mal anders ...