Der portugiesische Staat ist knapp bei Kasse, und Papst Franziskus predigt Bescheidenheit. Im August wird Franziskus bei dem nach Lissabon einberufenen katholischen Weltjugendtag erwartet. An den staatlichen Hilfen von gut 70 Millionen Euro für dieses Ereignis scheiden sich die Geister.
Korruption, Vetternwirtschaft, fragwürdiger Umgang mit öffentlichen Geldern – derartigen Phänomenen gilt in Portugal derzeit ein strenger Blick. In einer Zeit der Grossdemonstrationen von Lehrkräften und der Personalknappheit in Spitälern stellt sich im laizistischen Land plötzlich die Frage, ob der Staat gegenüber der katholischen Kirche nicht zu spendabel ist. Zudem muss sich die Kirche fragen lassen, wie sie es mit der von Papst Franziskus gepredigten Bescheidenheit hält. Stein des Anstosses sind die Kosten für den Weltjugendtag 2023, den der Vatikan für den 1. bis 6. August nach Lissabon einberufen hat, mit voraussichtlich über einer Million junger Leute – und Franziskus als Hauptfigur.
Schmerzhafte Kosten
«Ich gestehe, dass mich der Preis für die Bühne schmerzt», sagte Ende Januar der Weihbischof von Lissabon, Dom Américo Aguiar, zugleich Präsident der Stiftung für den Weltjugendtag. Er sprach, ganz weltlich, von Bühne, andere sprechen von Altar. Alle meinten das geplante Konstrukt für den grössten Auftritt des Papstes mit Platz für 2000 Personen, unter ihnen 1000 Bischöfe sowie Chor, Orchester und sonstige wichtige Figuren. Es soll, inklusive Fundamente, die Kleinigkeit von gut fünf Millionen Euro kosten, zu bezahlen von der Stadt Lissabon.
Dieser Betrag ist nur ein kleiner Teil der insgesamt über 75 Millionen Euro, mit denen die öffentliche Hand beim Weltjugendtag (Jornada Mundial da Juventude, «JMJ Lisboa 2023») mit von der Partie sein wird. 30 Millionen Euro (statt der anfangs veranschlagten 36,5 Millionen) will die Regierung beisteuern, 33,5 Millionen die Stadt Lissabon, 9 Millionen die benachbarte Gemeinde Loures. Ihr gehört ein Teil des Geländes, das als wichtigster Schauplatz dienen soll. Ende Januar liess die Kirche erst auf Druck der Medien hin verlauten, dass sie rund 80 Millionen Euro aufbringen werde, also nicht viel mehr als die öffentliche Hand.
Die grösste je im Land abgehaltene Veranstaltung
Der Bühnenaltar soll im «Parque Tejo» entstehen, ein derzeit von Bauzäunen abgeriegeltes Gelände im fernen Nordosten von Lissabon, am Ufer des Tejo-Flusses nahe dem Gelände für die vor 25 Jahren abgehaltene Weltausstellung «Expo ’98» über die Ozeane. Vom Zentrum der Stadt aus gesehen erstreckt es sich jenseits der imposanten, gut 17 Kilometer langen Autobrücke «Vasco da Gama», die seit 1998 über den Tejo führt. Aber auch der bekannte Parque Eduardo VII, im Norden des Stadtzentrums, soll einen imposanten Altar bekommen, denn auch dort soll der Papst auftreten.
Nach den Worten von José Sá Fernandes, von Seiten der portugiesischen Regierung für die Koordination des Weltjugendtages zuständig, ist dies die grösste je in Portugal abgehaltene Veranstaltung. Unter Papst Johannes Paul II. hatte die Kirche für das Jahr 1986 das erste derartige Treffen nach Rom einberufen. Es folgten, meist im Abstand von zwei oder drei Jahren, Treffen in anderen Städten in Europa, in Nord-, Mittel- und Südamerika, in Asien und Australien (nur Afrika blieb bisher aussenvor). Lissabon bekam Anfang 2019 beim Treffen in Panama den Zuschlag für den 16. WJT.
Die Zeit drängt
Wie viele Menschen dafür nach Portugal strömen werden, ist schwer abzusehen. Manche Schätzungen veranschlagen 1,5 Millionen junger Menschen zwischen 14 und 30 Jahren. Obwohl Portugal mittlerweile viel Erfahrung mit der glatten Organisation internationaler Grossereignissen hat – wie der Expo ’98, der Fussball-Euro 2004 oder des «Web Summit» in Lissabon –, so drückt beim Weltjungendtag offenbar die Zeit – Zeit, an der es eigentlich nicht gefehlt hat. Ursprünglich hatte das Ereignis nämlich schon 2022 stattfinden sollen. Wegen der Pandemie wurde es auf 2023 verschoben. Für grössere Änderungen der Pläne sei es womöglich zu spät, ist nun zu hören, obwohl von Bemühungen zur Reduzierung der Kosten die Rede ist.
Als schlagendes Argument für den finanziellen Aufwand bleiben die erwarteten Einnahmen. Von einem Erlös von rund 350 Millionen Euro ist die Rede. Obwohl viele der jungen Leute bei einheimischen Familien oder in Turnhallen unterkommen werden, boomen längst auch die Preise in der Hotellerie. In den sozialen Netzwerken grassiert die Empörung über die Eigentümer von Wohnungen in der Nähe des Parque Tejo, die sie für die Tage des WTJ teils für Preise um 2’000 Euro pro Nacht anbieten.
«Fussballstadien in religiöser Version»
Portugal ist, trotz katholischer Tradition, klar laizistisch. Aus der Sicht von Verfassungsrechtlern, die gegenüber der Tageszeitung «Público» zu Wort kamen, wirft die staatliche Förderung des WTJ keine verfassungsmässigen Probleme auf, sofern die Gleichbehandlung aller Gemeinschaften gesichert ist. Und als Argument bleiben die Einnahmen sowie der voraussichtliche Gewinn für das Image des Landes. Ob die Kirche diese Hilfe wirklich brauchte, steht auf einem anderen Blatt. So heben Medienorgane hervor, dass der WJT 2011 in Madrid nur rund 50 Millionen Euro gekostet und der Staat nur indirekt, durch Steuerbefreiungen, geholfen habe.
Es bleibt zudem ein laizistisch-antiklerikales Unbehagen über die Hilfen des portugiesischen Staates, vor allem angesichts der wachsenden sozialen Spannungen. Aber nicht weniger heilig als die Kirche ist in Portugal der Fussball. Für den Philosophieprofessor Viriato Soromenho-Marques ist der Weltjugendtag «die zehn Stadien der Euro in religiöser Version». Für die Fussball-Euro 2004 waren zehn Stadien entweder völlig neu errichtet oder gründlich umgestaltet worden. In vier dieser Stadien sind keine Erstligisten mehr zu Hause, und noch heute haben die Gemeinden an den Kosten für fünf dieser Stadien zu knacken.