Gerüchte gab es, wie immer auf Kuba, schon lange. Jetzt ist es offiziell: Die Parteizeitung «Granma» veröffentlichte unter dem bürokratischen Titel «Kuba aktualisiert seine Migrationspolitik» den Wegfall von Restriktionen bei der Ausreise. Reisen durften Kubaner schon immer. Allerdings war dafür ein ziemlicher Hindernisparcours zu absolvieren.
Los tramites
Formalitäten ist das Zauberwort jeder Bürokratie. Ein reisewilliger Kubaner musste sich bislang einen Pass besorgen. Dann musste er eine offiziell beglaubigte Einladung vorweisen, inklusive der eidesstattlichen Versicherung des Einladenden, dass der für alle Unkosten, für die Sicherheit und für die termingerechte Rückreise des Kubaners die Verantwortung übernimmt. Damit wurde der Antrag auf eine Ausreisebewilligung gestellt, die sogenannte «carta blanca».
Diese beiden Hürden fallen ab 14. Januar 2013 weg. Eine mutige Entscheidung des kubanischen Staats. Nicht, weil nun mit einer Ausreisewelle zu rechnen wäre. Aber weil diese Formalitäten pro Nase mindestens 500 Franken in die klamme Staatskasse spülten.
Die bleibenden Hürden
«Granma» weist fürsorglich darauf hin, dass weiterhin der «Raub der Talente durch die Mächtigen» unterbunden bleibe. Damit ist gemeint, dass Mitarbeiter im Gesundheitswesen, hochqualifizierte Fachkräfte aller Art, Lehrer, höhere Staatsangestellte und natürlich Mitglieder der Streitkräfte weiterhin schlechte Karten haben, wenn sie mal ins Ausland wollen. Aber auch der durchschnittliche Kubaner wird nicht gleich den Koffer packen. Um auszureisen, muss er ja auch einreisen können. Die meisten Länder der Erde, inklusive Schweiz, erteilen aber nur sehr restriktiv ein Visum.
Perverse Ausnahme bleiben die USA: Jeder Kubaner, der trockenen Fusses US-Territorium erreicht, bekommt sofort eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung, normalerweise nach einem Jahr die berühmte «Green Card».
Das liebe Geld
Selbst mit Pass und Visum bleibt noch ein letztes Problem: Das Ticket. Nur Cubana de Aviación lässt sich auf Inlandflügen von Einheimischen in der Nationalwährung Pesos Cubanos bezahlen. Andere Reisebewegungen sind bei einem durchschnittlichen Monatsgehalt von rund 20 Franken eher unerschwinglich. Ausser für Künstler, Händler und Profiteure der wirtschaftlichen Öffnung Kubas. Aber die mischelten sich auch schon vorher eine Reise, Not macht bekanntlich erfinderisch.
Neue Dienstleistungsqualität
Baff erstaunt hingegen, dass das Parteiorgan in einer aktualisierten Version des Artikels sogar Telefonnummern und Webseiten entsprechender staatlicher Behörden angibt, wo sich ausreisewillige Kubaner genauer informieren können. Andererseits ist natürlich eine Sicherheitsbarriere eingebaut. Zum Reisen braucht man bekanntlich einen Pass. Den kann zwar grundsätzlich jeder Kubaner beantragen, kostet auch nicht mehr als läppische 1000 Pesos Cubanos (rund 40 Franken).
Aber seine Ausstellung kann sich natürlich verkomplizieren, wenn es sich beim Antragssteller zufällig um einen bekannten Dissidenten handelt. Bei dem könnten auch allfällige unpolitische Vorstrafen, bspw. wegen «asozialen Verhaltens», im Wege stehen. Um Passbesitzer nachkontrollieren zu können, wird ebenfalls eine «Aktualisierung» des Papiers verlangt, sollte es vor dem Inkrafttreten dieser neuen Regelung ausgestellt worden sein.
Und die liebe westliche Presse
«Kubaner dürfen künftig reisen», titelt der «Tages-Anzeiger». Falsch, das durften sie schon immer. Und die, die es nicht durften, dürfen auch in Zukunft nicht. «Reisefreiheit für alle Bürger», meint die NZZ. Auch falsch. «Kuba gewährt seinen Bürgern Reisefreiheit», haut der «Spiegel» daneben. «Castro lässt seine Kubaner ausreisen», gut, vom «Blick» kann man ja nicht mehr erwarten.
Und dabei fängt das Orakeln, ob es nun einen Massenexodus gebe, ob das Regime mit dieser Entscheidung wieder mal sein Ende eingeleitet habe, erst an. Gemach, es ist ganz einfach: Die meisten Kubaner durften schon immer reisen. Jetzt wird es bloss etwas einfacher für sie. Aber ohne freundlichen ausländischen Sponsor ist für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung eine Auslandsreise nach wie vor ein schöner Traum.