Hält man sich ein paar Wochen im Trump-Land auf, konsumiert die relevanten Medien, tauscht sich mit alten Bekannten und neuen Bekanntschaften aus, wird man sich schnell gewahr: Auch am Ort seines Wirkens dominiert der Herr im Weissen Haus den allgemeinen Diskurs. Wobei anzumerken wäre, dass die massgebende „New York Times“ (die ja allen Grund hätte, ihren Verächter aufs Heftigste zu kritisieren) einen ausgesprochen sachlichen, gelassenen, mitunter richtig coolen Ton pflegt, wenn sie sich mit dem Dauerthema Trump befasst. Sie gibt sich realistisch.
Gerade dieser Realismus – und das ist das Verrückte – erweckt in mir wie in vielen, die sich mit den Verlautbarungen des Präsidenten beschäftigen, ein unheimliches Gefühl von Irrealität. Man kann ausgiebig lesen, Gespräche führen, argumentieren, den gesunden Menschenverstand mobilisieren, logisches Denken proklamieren – zuletzt bleibt etwas übrig, eine Unklarheit, eine Unsicherheit, etwas Irreales.
Vermutlich hängt das seltsame Gefühl mit der Begabung des Präsidenten zusammen, sich und seine Überzeugungen täglich neu zu erfinden, Wahrheiten als Lügen zu verkaufen und umgekehrt, Lügen in Wahrheiten umzufunktionieren oder, wie es eine seiner Vertrauten formuliert, neben gesicherten Fakten auch ungesicherte, „alternative“ oder erfundene, ebenbürtig gelten zu lassen.
Das schönste Beispiel für das Kippen vom Realen ins Irreale, das die Geister in den USA und anderswo zur Zeit beschäftigt, ist die Mauer auf der über 3000 Kilometer langen Grenze zu Mexiko, die der Präsident bauen lassen will. Ein archaisches, in seinem hirnrissigen Gigantismus fast schon unfreiwillig komisches Unterfangen, das überdies, wie die Mexikaner zu verstehen geben, ihren Tricks und Listen niemals widerstehen und sie kaum daran hindern würde, ins gelobte Land einzudringen. Realiter kann die Mauer natürlich gebaut werden – wie vor Jahrhunderten die chinesische oder, näher bei uns, diejenige unseligen Angedenkens in Berlin. Gebaut allerdings, so darf man vermuten, würde sie in unserer so durchlässig gewordenen, globalisierten und vernetzten Welt erst recht surreal oder eben irreal wirken.