Die erste Ausnahme war Griechenland. Einmalig wurde eine «freiwillige» Beteiligung von Gläubigern an einem Schuldenschnitt erzwungen. Dann kam Zypern, und es war vorbei mit der Einmaligkeit. Letzten Herbst regte der Internationale Währungsfond (IWF) die allgemeine Verwendung einer «Vermögensabgabe» in höchste Not an. Riesengebrüll, anschliessend Schweigen. Jetzt zieht die Deutsche Bundesbank nach.
Unvorhersehbar
Als vergangenen Sonntag das unsägliche WEF zu Ende ging, herrschte allgemeiner Optimismus unter den Weltenlenkern. 2014 wird gut, ein paar Probleme, aber es geht steil aufwärts, Halleluja. Bereits am Montag setzten dann diverse Börsen ihre steile Talfahrt fort. Ach, Argentinien ist tatsächlich seit 2002 pleite? Die türkische Währung schwächelt, Thailand ist irgendwie auch nicht so gut aufgestellt, und dann die Korruptionsskandale in China. Ja hoppla, das war am Sonntag natürlich alles unvorhersehbar.
Im Windschatten dieses ewigen Wechselbades zwischen Optimismus und Angst ging die Forderung der Bundesbank fast unter, dass man nun wirklich im Fall der drohenden Pleite eines Eurolandes zuerst die dortigen Vermögen zur Finanzierung der Staatsschulden heranziehen solle.
Zahlenspiele
Die Staaten der Eurozone sind insgesamt mit über 9 Billionen (9000 Milliarden) verschuldet. Gleichzeitig sind in Form von Bankeinlagen privater Anleger und Firmen sowie als Immobilienbesitz rund 39 Billionen Euro an Vermögen vorhanden. Würde man davon, wie der IWF bereits vorschlug, «nur» 10 Prozent abknipsen, wären das 3,9 Billionen. Damit würden die meisten Euroländer unter die heilig versprochene, aber nie eingehaltene Schuldenobergrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts rutschen. Wäre doch super, oder?
Es genügt den Finanzlenkern offenbar nicht mehr, dass die Staaten sowieso schon Billionen in Form von ausgegebenen Staatspapieren von ihren Untertanen geliehen haben, als Direktkauf oder via angesparter Altersvorsorge. Es genügt offenbar nicht mehr, dass allenfalls dennoch entstehende Lücken mit Neugeld der Europäischen Zentralbank (EZB) gestopft werden und allfällige Zweifel an der Werthaltigkeit dieser Staatsschuldpapiere durch ein «unbegrenztes» Kaufversprechen der EZB beseitigt werden sollen. Nun soll es auch noch ans Eingemachte gehen.
Absurde Logik
Spätestens seit Zypern gibt es ja schon zwei Arten von Euro. Den frei über Landesgrenzen hinweg transferierbaren und den Zypern-Euro. Um nun eine allgemeine Enteignung schmackhaft zu machen, wird die absurde Logik bemüht. Dass die Eurostaaten bis über beide Ohren verschuldet sind, zeige, dass der Staat in der Vergangenheit zu wenig Steuern von seinen Bürgern kassiert habe, behauptet ein Ökonom. In Wirklichkeit zeigt es, dass die Staaten jahrelang völlig verantwortungslos Geld verpulvert haben.
Da es ohne das Eingreifen der Staaten im Rahmen der Finanzkrise 1 zum Zusammenbruch des Finanzmarkts und der Vernichtung privater Vermögen gekommen sei, sei es nur eine Frage der «Gerechtigkeit», dass das nun ausgeglichen werde, behauptet immerhin der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD. Dass sich die Staaten in Wirklichkeit zusätzlich verschuldeten, indem sie private Verluste von Zockerbanken nicht von deren Besitzern begleichen liessen, sondern vergesellschafteten, haben diese Leuchte offenbar bereits vergessen.
Nicht einmalig
Es ist ein historisches Muster, dass sich unverantwortlich verschuldete Staaten am Schluss das Geld ihrer Untertanen aneignen. Ältere Deutsche erinnern sich noch an das «Reichsnotopfer» von 1948. Nun heissen liquide Geldanlagen nicht umsonst so. Droht in einem Land eine Enteignung, gibt es Kapitalflucht. Ausser, sie wird radikal unterbunden, wie in Zypern bereits durchexerziert.
Richtig gekniffen sind aber die Besitzer anderer Vermögenswerte, die auch nicht ohne tieferen Sinn Immobilien heissen. Geld, notfalls auch in Form von Gold oder Juwelen, kann trotz aller Kontrollen in Sicherheit gebracht werden. Eine Eigentumswohnung oder ein Haus nicht. Da Immobilienbesitz mit über 30 Billionen Euro den Hauptteil der Vermögenswerte von 39 Billionen ausmacht, liegt es nahe, dass wie in der Vergangenheit Immobilienbesitzer zur Kasse gebeten werden. Selber schuld, wieso mussten sie sich auch den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen.
Steter Tropfen
Steht nun eine solche Vermögensabgabe, oder beim richtigen Namen genannt Zwangsenteignung, unmittelbar bevor? Beziehungsweise: wird sich Griechenland und Zypern demnächst wiederholen? Das ist wie immer bei der Zukunft schwer zu prognostizieren.
Aber genügend Vorbereitungshandlungen sind klar erkennbar: mit dem Allgemeinen Informationsaustausch völlige Transparenz über die Geldströme der Staatsbürger herstellen; immer mal wieder das Wort von der Vermögensabgabe in die Runde werfen, es mit schönen Begriffen wie Gerechtigkeit, Solidarität und Verpflichtung verbinden; zurückkrebsen, es als theoretische Möglichkeit in höchster Not bezeichnen; fürsorglich entsprechende Pleitepläne vorbereiten, das aber als reine Vorsorgemassnahme für den eigentlich undenkbaren Katastrophenfall kleinreden. Und dann ansatzlos zuschlagen. So wird’s kommen.