Dem Leserbriefschreiber in der «New York Times» kann man zustimmen: Hätte Obama nicht eine rote Linie gegenüber dem syrischen Regime gezogen und nicht einen Militärschlag gegen Asad angedroht, hätte Moskau seine Initiative zur internationalen Kontrolle der syrischen C-Waffen nicht konkretisiert, und Damaskus wäre nicht auf diesen Zug aufgesprungen. Einige Kommentatoren interpretieren diese vorläufige Atempause als einen «Strohhalm Putins» und als Verzögerungsmanöver, um die fällige «Bestrafung» des Asad-Regimes zu hintertreiben. Strohhalm? Nichts ist entschieden. Obama hält sich mit gutem Grund die Optionen offen. Aber wenn Asad seine C-Waffenarsenale – deren Existenz er noch vor wenigen Tagen leugnete – tatsächlich zur externen Kontrolle freigibt? Wenn Moskau und Washington nun anfangen, in der Syrien-Frage konstruktiv zu kooperieren? Wenn Asad dadurch zu echten Kompromissen mit dem zersplitterten Rebellenlager gezwungen würde? Einverstanden, das sind viele Wenns. Doch es überzeugt nicht, sie ohne Prüfung beiseite zu schieben und Asad unverzüglich mit «chirurgischen Schlägen» zu «bestrafen» – mit oder ohne Zustimmung des US-Kongresses. Erst nach Gesprächen Kerrys mit Lawrow in Genf wird man besser beurteilen können, ob Moskaus Vorstoss Substanz hat. Skepsis ist angebracht, aber ebenso Misstrauen gegenüber voreiligen Interventionisten und Verächtern diplomatischer Feinarbeit.