Mit dieser nicht ganz neuen Erkenntnis fordert die „Globale Kommission für Drogenpolitik“ die „politischen Führer“ auf, den Drogenkonsum in ihren Ländern zu entkriminalisieren, Modellversuche für Abhängige zu unternehmen und die Behandlungsangebote zu verbessern. Die Politiker sollten den Mut aufbringen, öffentlich auszusprechen, was viele von ihnen wissen: dass nämlich repressive Strategien das Drogenproblem nicht lösen.
Der Aufruf kann schwerlich überhört werden, denn der "Globalen Kommission für Drogenpolitik" gehören Prominente von Gewicht an: unter anderen der frühere UNO-Generalsekretär Kofi Annan, die Ex-Präsidenten Brasiliens, Griechenlands, Kolumbiens und Mexikos, der Literatur-Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa, der einstige US-Verteidigungsminister George Shultz, der Ex-Präsident des US Federal Reserve Board, Paul Volcker, der EU-Spitzenpolitiker Javier Solana, die frühere UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte Louise Arbour, der britische Unternehmer Richard Branson (Virgin-Gruppe) und – mit weniger Geld und Glanz ausgestattet - die Schweizer Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss.
Aufschwung durch Verbot
Anstatt Drogenkonsumenten, „die anderen nichts zuleide tun“, zu bestrafen, zu stigmatisieren und an den Rand der Gesellschaft zu drängen, sollten die Regierungen „verbreitete Vorurteile über Drogenmärkte, -konsum und -abhängigkeit bekämpfen“. So sollten insbesondere für den Umgang mit Cannabis „neue rechtliche Modelle“ ausprobiert werden, um die Macht des organisierten Verbrechens zu brechen und die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten.
Die UNO hat vor genau 50 Jahren eine Drogenkonvention verabschiedet, die auf der Unterdrückung aller nicht als legal geltenden Suchtmittel beruht. Zehn Jahre später erklärte US-Präsident Richard Nixon den Drogen den „Krieg“. Mit der Logistik wurde ein eigens geschaffenes UNO-Büro zur Bekämpfung von Drogen und Kriminalität (UNODC) mit Sitz in Wien beauftragt. Nach Ansicht der Mitglieder der Globalen Kommission für Drogenpolitik reduziere aber die derzeitige Strategie des UNODC den Drogenhandel nicht, sondern sorge im Gegenteil für die Ausbreitung der Kriminalität. Nach den Zahlen der UNO ist der Verbrauch von Opiumderivaten seit 1998 um 35 Prozent und jener von Kokain um 27 Prozent gestiegen.
Repressive Massnahmen gegen die Verbraucher erhöhen die Zahl der Todesfälle wegen Überdosen und verstärken weitere gefährliche Auswirkungen des Drogenkonsums, meint die Kommission. Auch die Behandlung von Aids-Kranken leide darunter, weil sich Drogenkonsumenten ständig verbergen müssen. Im Fazit weisen die Mitglieder der Globalen Kommission für Drogenpolitik darauf hin, dass es kostenwirksamere und mehr Erfolg versprechende Methoden als die Repression gibt, um den Drogenmissbrauch zu bekämpfen.
"Das Tabu der Debatte brechen"
„Millionen von Suchtmittelkonsumenten und kleinen Dealern füllen die Gefängnisse“, stellt der Bericht fest. „Ihre Verhaftung und Verurteilung hat Leben und Familien zerstört, ohne die Verfügbarkeit illegaler Drogen verringern oder die kriminellen Organisationen zerstören zu können.“ Schlichte Botschaften vom Typ „Null-Toleranz“ oder „Sag einfach Nein“ sollen eingestellt werden. Dafür seien die Erziehungs- und Vorbeugeprogramme zu verstärken.
„Das Tabu in der Debatte brechen“, betitelt die Kommission ihren Bericht. Sie verlangt eine Reform. Die Regierungen der USA und Grossbritanniens haben darauf sofort reagiert. „Wenn wir den Zugang zu Drogen erleichtern, wird es noch schwieriger, unsere Gemeinden gesund und sicher zu bewahren“, erklärte ein Sprecher der US-Drogenkontrollagentur. Das britische Innenministerium liess wissen, dass die Regierung in London nicht die Absicht habe, die Drogengesetze zu liberalisieren: „Drogen sind illegal, weil sie schädlich sind. Sie zerstören Leben und verursachen unermesslichen Schaden in Familien und Gemeinden.“
Das UNO-Büro zur Bekämpfung von Drogen und Kriminalität hat auf die Forderungen der Promis aus Politik und Kultur bisher nicht geantwortet. Dieses Organ setzt unbeirrbar auf die weltweite Unterdrückung des Suchtmittelmissbrauchs als einzige Methode – so wollen es die wichtigsten Geldgeber. Seit letztem Jahr ist der Russe Jurij Fedotow Exekutivdirektor des UNODC. Von ihm ist kaum Bewegung in der jetzt schon lange andauernden Kontroverse über die richtige Drogenpolitik zu erwarten.