Der Begriff hat eine spektakuläre, weltweite Karriere hinter sich: nachhaltig – sustainable oder Nachhaltigkeit – sustainability. Kein Tag, ohne dass wir nicht darüber hören, lesen oder fernsehen. Allerdings verstehen die Absender dieser Botschaften darunter völlig Unterschiedliches. In der Werbung, in Geschäftsberichten von Konzernen oder in politischen Diskussionen überwiegen ab und zu die missbräuchlichen Anwendungen – das nennen wir dann Etikettenschwindel. Nicht ganz unschuldig am Durcheinander im deutschen Sprachraum ist der Duden, der es bis heute nicht geschafft hat, alle zeitgemäßen Definitionen nachzutragen.
Missverständnisse um einen Begriff
So lesen wir Im Duden beim Nachschlagen des Wortes Nachhaltigkeit: „sich auf längere Zeit stark auswirkend; (…) forstwirtschaftliches Prinzip, nachdem nicht mehr Holz gefällt werden darf, als jeweils nachwachsen kann. Im Dudenonline ist eine weitere Definition eingefügt, die der Sache schon etwas näher kommt: „Ökologisches Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren, künftig wieder bereitgestellt werden kann“.
Natürlich heißt es das. Doch zu Beginn des 21. Jahrhunderts versteht die Welt darunter etwas viel Umfassenderes: „Entwicklung, die die Bedürfnisse heutiger Generationen erfüllt, ohne die Voraussetzungen künftiger Generationen, ihre Bedürfnisse dereinst ebenfalls erfüllen zu können, einzuschränken“ (UNO-Leitbild). Oder: „Nachhaltige Entwicklung basiert auf der Idee der gleichzeitigen und gleichberechtigen Umsetzung umweltbezogener, sozialer und wirtschaftlicher Ziele“. Manche definieren das kurzerhand so: Ökologische, gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Aspekte berücksichtigend.
Dafür steht im angelsächsischen Raum das Wort sustainable – klipp und klar. Für den altehrwürdigen Begriff nachhaltig gilt wie eh und je die Übersetzung lasting, ongoing – also anhaltend, dauerhaft, beständig. Und das ist ein großer Unterschied.
Nachhaltigkeit als Programm
Eine nachhaltige Entwicklung zu beachten und unterstützen geht also weit über den Gummibegriff der PR-Strategen hinaus. Die UNO hat 1983 („Brundtland-Kommission“) diesen Bericht definiert: Generationen übergreifend denken und handeln. Sich Ressourcen schonend verhalten, auch zuhause. Nicht erneuerbare Energie sparen und wo möglich, ersetzen. Sozial verträglich politisieren und wirtschaften. Umweltbewusste Mobilität anstreben, usw.
Im Übrigen kann man es drehen und wenden, wie man will: Unternehmen, wie z.B. Zigarettenproduzenten, Erdölmultis, Rohstoffabbaufirmen, Zementkonzerne oder auch Chunkfood-Anbieter können obige Kriterien nicht erfüllen. Dies ist nicht despektierlich gemeint.
Gemäß verlässlichen Sustainability-Ratings belegt von den großen Multis Unilever Platz eins, dies dank seines konsequenten Engagements in den Bereichen nachhaltige Landwirtschaft und Fischerei, sowie in der effizienteren Nutzung von Wasser bei der Produktion. Paul Polman, der Chef dieses Konsumgüterkonzerns kümmert sich in vorbildlicher Weise darum. Er hat erkannt, dass immer mehr Konsumenten und Aktionäre von ihren Unternehmen nachhaltiges Geschäften verlangen.
Greenwashing und andere Missverständnisse
Urteilen Sie bitte selbst darüber, wovon die UBS spricht, wenn sie in ihren Corporate Governance Grundsätzen von „Erreichung eines nachhaltigen Wachstums“ spricht. Oder GlencoreXstratra ankündigt, 2013 erstmals einen gemeinsamen „Sustainability Report“ publizieren zu wollen... Im Übrigen gibt es für den neudeutschen Begriff greenwashing im Duden online seit kurzem die Übersetzung.
Schon erstaunlicher ist es, wenn ein Fachjournalist in der NZZ „Green Economy – nur aufgewärmter Malthusianismus“, seinen Meinungsjournalismus ausbreitet, in dem er seine selektive Wahrnehmung schwarz auf weiß dokumentiert. „Im Namen der Nachhaltigkeit wird eine planwirtschaftliche Umverteilungsmaschinerie in Gang gesetzt, die den Mangel und die Armut erst schafft, die sie zu bekämpfen vorgibt“. In diesem Beitrag wird zwar richtigerweise der betrübliche Trend kritisiert, dass einige Rohstoff- und Nahrungsmittelkonzerne begonnen haben, sich durch Produktion von Biotreibstoffen aus Soja, Mais oder Raps CO2-Gutschriften ausstellen zu lassen. Diese politisch geförderte Verirrung hat aber mit Sustainability so wenig zu tun wie die Unterstellung, nachhaltiges Geschäften führe zu Planwirtschaft.
Ebenfalls in der NZZ (28.6.2013) meint der Journalist Markus Hofmann, der Entscheid, ein umweltbewusstes Leben zu führen, liege in der Eigenverantwortung des Einzelnen und die Regierung dürfe den Bürgern nicht vorschreiben, wie sie zu leben hätten. Nur dort wo der Markt versage, seien staatliche Korrekturen angebracht. Er bezeichnet dies als liberale Nachhaltigkeitspolitik. Doch wer entscheidet über Marktversagen? Die liberalen „Nachhaltigkeitslobbyisten“ der Erdöl- oder Autobranche? Oder ist da etwa gemeint, der Markt versage nicht seit Jahren, wenn es um Nachhaltigkeit geht?
Markt und Natur
Die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie ist dem Wort Nachhaltigkeit immanent. Das Subsystem Ökonomie müsste im Größeren, im System Biosphäre eingebettet sein. Heute hat man manchmal den Eindruck, es sei umgekehrt.
Rudolf Wehrli, Präsident von Economiesuisse, hat in seinem ersten Amtsjahr das Thema „Nachhaltigkeit in allen Bereichen“ ins Zentrum der Aufmerksamkeit gestellt. „Nachhaltigkeit werde meist ökologisch verstanden, genauso wichtig seien aber auch die ökomische und soziale Nachhaltigkeit. Erstere etwa sei ohne die letzten beiden nicht zu haben“, wird er zitiert. Mit diesem Statement hat er nicht Unrecht. Die mit Nachhaltigkeit angeschriebene Economiesuisse-Verpackung ist neu; doch, Achtung: es darf die Wirtschaft nichts kosten. Ob Wehrli, der gelernte Theologe und Philosoph, da nicht Wasser predigt und Wein trinkt – die Abstimmungskampagnen 2013 lassen da gewisse Zweifel aufkommen.
Footprint- Überraschungen
Wie steht es bezüglich Ihres persönlichen, nachhaltigen Handelns? Welchen Fußabdruck (Footprint) hinterlassen Sie? Ein Vorschlag: Sie können an einem verregneten Sonntag im Internet mehr darüber erfahren. SwissClimate liefert nicht nur ausgezeichnete Beratung. Unternehmen können da ihren CarbonFootprint erfahren. Auch WWF Schweiz bietet verschiedene, persönliche Testmöglichkeiten. Footprint bietet gar einen Ecological Footprint Quiz an. Auf Global Footprint Network ist nicht nur der wissenschaftliche Hintergrund solcher Fussabdruckerhebungen erklärt. Da gibt es einen Foodprint-Index der Nationen und einen über Finanzen. Und natürlich auch einen über Ihren persönlichen „Abdruck“.
Neuerdings können Sie sogar erfahren, welchen Footprint Ihr angelegtes Geld hinterlässt. Haben Sie damit schon einmal Arbeitsplätze geschaffen? Etwas Neues erfunden? Menschen ausgebildet? Energie gespart? Der Globalance Portfolio Footprint klärt Sie über die Auswirkungen Ihres Portfolios auf. Fällt der Check positiv aus, umso besser.
Ihre persönliche Nachhaltigkeitsstrategie
Ob Einzelperson, Familie oder KMU – indem Sie eine individuelle Philosophie für Nachhaltigkeit entwickeln, Ihr persönliches Programm sozusagen, handeln Sie verantwortungsbewusst gegenüber Nachfolgegenerationen. Wirtschaft, Gesellschaft, Umwelt nachhaltig zu verstehen, ist ein einfaches, günstiges und ehrliches Prinzip.