In der Schweiz und in Frankreich, in Luxemburg und Deutschland leben Hunderttausende von Portugiesen. In diesen Ländern ist aber über ihre Heimat oft wenig bekannt. Ein für junge Leute geschriebenes Buch über die portugiesische Geschichte füllt eine Lücke.
Fast 260’000 Portugiesen leben in der Schweiz. Unter ihnen sind Frauen und Männer, deren Kinder zwischen zwei Welten aufwachsen. Sie mögen sich in der Schweiz – die meisten in der Romandie – heimisch fühlen, aber ihre Sommerferien an portugiesischen Stränden geniessen und sich fragen, warum ihre Eltern oder Grosseltern das sonnige Land am Südwestrand von Europa eigentlich verliessen. Vor allem an solche jungen Leute richtet sich das gerade erschienene und üppig illustrierte Buch «Die aussergewöhnliche Geschichte Portugals» von Sandra Canivet da Costa. Es handelt sich dabei um eine Übersetzung des französischsprachigen Originals, vom dem auch eine zweisprachige französisch-portugiesische Version vorliegt.
«Ich selbst wurde in den 70er Jahren in Frankreich als Tochter portugiesischer Einwanderer geboren», verrät die Autorin in einem Vorwort über ihre eigene Geschichte. «Später heiratete ich einen Franzosen, mit dem ich zwei Söhne habe. Leider habe ich es nicht geschafft, ihnen die portugiesische Sprache beizubringen; ein Fehler, der mir bei der Vermittlung der portugiesischen Geschichte nicht passieren soll.» Nicht zufällig lancierte die Autorin die deutschsprachige Version in Lissabon am 25. April dieses Jahres, also an dem gesetzlichen Feiertag zur Erinnerung an die «Nelkenrevolution» von 1974, durch die eine lange faschistoide Diktatur ihr Ende fand.
Das mit Zeichnungen, Fotos und Karten illustrierte Buch beginnt aber mit Lusitanern und Römern. Zwei Kinder, beide mit Migrationshintergrund, führen dann durch die Geschichte, die zahlreiche überraschende Details aufweist. Immerhin hat Portugal die ältesten Landesgrenzen Europas und stieg dank grosser Seefahrer ab dem 15. Jahrhundert zur ersten grossen Kolonialmacht des Kontinents auf. Ausser während einer 60-jährigen Personalunion mit Spanien (1580–1640) konnte es seine Unabhängigkeit bewahren. Aus dem vielen Gold, das seine Schiffe im 18. Jahrhundert aus der damaligen Kolonie Brasilien mitbrachten, zog das Land letztlich aber nur einen begrenzten Nutzen. Stattdessen geriet es immer mehr in die Abhängigkeit von England. Im Jahr 1910 wurde Portugal zu einer der ersten Republiken in Europa. Und 1974 fiel durch einen geradezu festlichen Militärputsch, den die Bevölkerung – anders als bei Putschen üblich – euphorisch und fast ohne Blutvergiessen durchführte, eine 48-jährige Diktatur und öffnete den Weg zur Demokratie in dem Land, das heute Mitglied der EU ist, trotz massiver Finanzhilfen aber an vielen Problemen laboriert.
Das fundierte Buch mit Sonderkapiteln über die Sklaverei, über die Verschwendung im Zeitalter des Absolutismus, über das verheerende Erdbeben von Lissabon im Jahr 1755 sowie den Umgang mit den Juden und die Inquisition kommt ohne kindliche Simplifizierungen und Heldenkult aus. Es kann damit auch Erwachsenen helfen, Wissenslücken zu füllen und Verwechslungen mit Spanien zu vermeiden. Kapitel über die massenhafte Auswanderung aus Portugal und die portugiesische Diaspora im Ausland vermitteln den jungen Leuten dann auch, warum ihre eigenen Eltern ihr Land verlassen mussten. Und es macht seine Leserschaft mit einigen Sehenswürdigkeiten vertraut.
Sandra Canivet Da Costa: Die aussergewöhnliche Geschichte PORTUGALS. Cadamoste Éditions. 124 Seiten, mit über 100 farbigen Zeichnungen von João Serrano. ca. 24,90 Euro
ISBN: 9782957164028
Französische Version:
L’extraordinaire Histoire du Portugal.
ISBN: 9782957164004