Die überraschend deutliche Wahl des draufgängerischen Einzelkämpfers Thomas Minder als Schaffhauser Ständerat ist ein gutes Zeichen für die Demokratie nach Schweizer Art. Sie zeigt, dass man notfalls auch im Alleingang einen Wahlkampf gegen etablierte Parteien gewinnen kann – wenn man glaubwürdig für ein Anliegen kämpft, das breiten Schichten der Wählerschaft unter den Nägeln brennt.
Obligatorische Kontrollinstanz für Manager-Boni
Thomas Minder verdankt seinen Wahlsieg zweifelsohne der von ihm lancierten Abzocker-Initiative, die den grassierenden Selbstbedienungs-Praktiken verantwortungsloser Manager-Seilschaften in börsenkotierten Unternehmungen (und nur um diese geht es) durch klare Regeln eingrenzen will. Die Kernforderung lautet: Über die Gesamtsumme aller jährlichen Vergütungen des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung muss die Generalversammlung der Aktionäre entscheiden. So genannte Abgangsentschädigungen oder Vorauszahlungen für VR- oder Geschäftsleitungsmitglieder sind nicht mehr erlaubt. Auch die dubiose und intransparente Depostimmrechtsvertretung soll abgeschafft werden.
Diese Forderungen sind keineswegs gegen eine liberale oder marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung gerichtet. Sie zielen lediglich darauf ab, masslosen Selbstbereicherungs-Missbräuchen verantwortungsloser Manager-Klüngel, die sich selbst bei Verlusten ihrer Firmen Millionen-Boni zuschanzen, eine obligatorische Kontrollinstanz vorzuschieben. Die Aktionäre müssen zwingend über sämtliche Bezüge der obersten Führungsgremien entscheiden. Damit würde die Glaubwürdigkeit der vielzitierten Aktionärs-Demokratie wesentlich gestärkt.
Endlose Verzögerungsmanöver im Parlament
Der KMU-Unternehmer Thomas Minder (Besitzer der Firma Trybol in Neuhausen) hat seine Abzocker-Initative mit den notwendigen gültigen Unterschriften bereits vor vier Jahren eingereicht. Doch das Parlament in Bern brachte es durch unsägliche Hin- und Her-Manöver zwischen Nationalrat und Ständerat fertig, dass bis heute weder ein Gegenvorschlag noch ein Abstimmungsdatum zu Minders Abzocker-Initiative vorliegt. Wen wundert’s, dass diese jahrelange Verschleppung für viele Wähler nach gezielter Taktik riecht, um die Abstimmung zu einem berechtigten Volksbegehren zu hintertreiben?
Die Parteien müssen Farbe bekennen
Nach dem überraschend klaren Wahlsieg Minders in Schaffhausen haben die Parlamentarier in Bern und die Strategen in den Parteizentralen allen Grund, ihre bisherige Haltung zur Abzocker-Initiative selbstkritisch zu überdenken. Wenn Nationalrat und Ständerat in den nächsten zwei oder drei Monaten keinen Gegenvorschlag zustande bringen, so sollte Minders Volksbegehren umgehend allein zur Abstimmung gebracht werden.
So oder so werden die Parteien eines Tages gezwungen sein, eindeutig Farbe zu bekennen, wie sie es mit den Forderungen der Minder-Initiative halten. Wie Minder schon vor einigen Monaten in einem Interview mit „Journal21“ feststellte, kann die Abstimmung über eine gültige Volksinitiative gottseidank nicht endlos verschleppt werden. Spätestens im Jahr 2013 muss die Abzocker-Initative vors Volk kommen.
Minder selbst denkt nach eigenem Bekunden nicht daran, sein Volksbehren doch noch zurückzuziehen. Das dürfte sich auch nicht ändern, wenn er sich im Ständerat der SVP-Fraktion anschliessen sollte – was seinem Robin-Hood-Image übrigens nicht gut tun würde. Nach seinem grossen Wahlsieg in Schaffhausen hat Minder jedenfalls noch weniger Grund als zuvor, die Parteien und Interessengruppen aus ihrer Pflicht für eine klare Entscheidung im Umgang mit den Abzocker-Missbräuchen zu entlassen. Minders Wahlerfolg ist ein starkes Indiz dafür, dass seine Initiative beste Chancen hat, bei einer Mehrheit des Stimmvolkes Zustimmung zu finden.
Fällige Mitsprache des Volkes
Diese Einsicht in die Gemüts- und Stimmungslage vieler Bürger zum Thema Abzockerei könnte auch den etablierten Parteien die Augen öffnen, dass es ihnen nur Schaden bringt, wenn sie nur um den heissen Brei der Minder-Initiative herumtanzen, anstatt nach vierjährigem Parlamentspalaver dieses berechtigte Anliegen endlich zur Abstimmung zu bringen. Es genügt für die Politiker nicht mehr, sich vordergründig über obszöne Manager-Boni zu empören, ohne konkret etwas dagegen zu tun. Die Minder-Initiative gibt dem Volk die Gelegenheit zur direkten Mitentscheidung bei dieser Frage, die für die Glaubwürdigkeit der sozialen Marktwirtschaft von wesentlicher Bedeutung ist.
Deshalb ist der Wahlerfolg des Schaffhauser Einzelkämpfers Minder auch eine Sternstunde für die direkte Demokratie.