Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, lächelte sein professionelles Lächeln beim Pressetermin in London, als er stolz verkünden durfte, dass das IOK mit der Wohnungsplattform Airbnb einen neuen Grosssponsor für die Olympischen Spiele 2024 und 2028 gefunden hat. Ein perfekter Werbecoup für das umstrittene Unternehmen, bevor es im kommenden Jahr an die Börse zu gehen gedenkt. Thomas Bach, der mächtige Sportfunktionär gab sich unschuldig, ja ahnungslos und tat so, als wäre es ihm nie in den Sinn gekommen, dass dieser Sponsor ein Problem sein könnte.
Paris aber ist gründlich empört – und vielleicht nicht nur Paris.
Olympische Spiele gegen ihren Willen
Anne Hidalgo, seit 2014 Chefin im Pariser Rathaus, davor sieben Jahre lang erste stellvertretende Bürgermeisterin, steht Kopf, und sie wird im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen 2024 in ihrer eigenen Stadt mehr und mehr zur tragischen Figur.
Zu Beginn ihrer Amtszeit hatte die resolute Politikerin unmissverständlich klargemacht: Paris, diese dicht besiedelte, ohnehin völlig überlaufene Stadt, permanent am Rande des Verkehrinfarkts, weltweit auch so schon eines der ersten Touristenziele überhaupt und auch ohne Olympische Spiele regelmässig Gastgeberin von internationalen Grossereignissen, braucht diese Olympischen Spiele nicht und denkt nicht daran, sich auf eine Zusammenarbeit mit der Geldscheffelbande des Internationalen Olympischen Komitees einzulassen.
Doch dann kam der damalige Staatspräsident und sozialistische Parteifreund der Pariser Bürgermeisterin, François Hollande, und er sah das alles ganz anders. Am Ende musste Anne Hidalgo klein beigeben, Paris bewarb sich, gewann ohne echte Konkurrenten, und die Bürgermeisterin muss seitdem so tun, als sei sie von Olympia begeistert.
Der Gedanke an eine Volksbefragung, wie sie in Norwegen, der Schweiz oder Deutschland selbstverständlich war und jeweils mit einer deutlichen Absage an die Olympiafunktionäre geendet hatte, wurde im zentralistischen Frankreich einfach vom Tisch gefegt, als sei so etwas eine Zumutung. Und auch Bürgermeisterin Hidalgo schwieg zu diesem Thema, mit Sicherheit gegen ihren Willen.
Kampf gegen Airbnb
Und jetzt muss das Pariser Stadtoberhaupt auch noch diese Kröte schlucken: Airbnb, diese allmächtige Wohnungsplattform, gegen die Anne Hidalgo seit Beginn ihrer Amtszeit fast verzweifelt ankämpft, wird einer der Hauptsponsoren der Olympischen Spiele in Paris und wird hier, auf demselben Niveau wie etwa Coca-Cola, die Werbetrommel rühren dürfen, wird von Paris aus dafür sorgen können, dass der weltweite Bekanntheitsgrad dieser Firma noch weiter zunimmt. Ausgerechnet Airbnb, das für Paris – und da ist sich ein überwiegender Teil der Bevölkerung einig – schlicht eine Katastrophe ist.
Sage und schreibe 70’000 Wohnungen dieser Stadt stehen im Airbnb-Katalog, über 30’000 sind, seit das Unternehmen an der Seine aktiv ist, definitiv vom ohnehin höchst angespannten Mietwohnungsmarkt verschwunden. Airbnb hat ganze Viertel, besonders in der Innenstadt, wie etwa das Marais-Viertel, vollständig destrukturiert und umgekrempelt. Dort gibt es mittlerweile ganze Häuser, in denen nur noch Airbnb-Wohnungen existieren.
In manchen Vierteln hörte man von Grundschulen, denen nach der Sommerpause plötzlich gleich ein paar Dutzend Kinder, in etwa zwei Schulklassen, fehlten, weil sich in der Umgebung Airbnb-Anbieter breit gemacht hatten und ganze Familien gezwungenermassen das Weite gesucht hatten.
Prozesse
Seit über fünf Jahren liegt die Stadt Paris mit Airbnb im juristischen Clinch. Zuletzt hat die Kapitale die Wohnungsplattform auf 12,5 Millionen Euro verklagt, weil über tausend Airbnb-Wohnungen nicht ordnungsgemäss resgistriert waren. Gleichzeitig ist Airbnb jüngst gegen die Stadt Paris vor den Europäischen Gerichtshof nach Luxemburg gezogen, um gegen Einschränkungen seiner Geschäfte durch das Pariser Rathaus zu klagen. Im Jahr 2018 hat die Stadt Paris in zahllosen aufwendigen Prozessen zwei Millionen Euro Strafgelder eingetrieben, weil Vermieter sich nicht an die ohnehin weit gefassten Regeln gehalten hatten.
Das Empörendste: Zwischen 60’000 und 80’000 Menschen warten in Paris zum Teil seit zwei Jahrzehnten auf eine bezahlbare Sozialwohnung. Nun durfte man feststellen, dass Aberdutzende glückliche Bewohner einer solchen Sozialwohnung, die es Dank der Pariser Stadtverwaltung mittlerweile durchaus auch in besseren Vierteln gibt, diese Sozialwohnungen via Airbnb weitervermietet haben. Auch in diesen Fällen häufen sich die Prozesse.
Hilflos
Besonders viel kann die Pariser Bürgermeisterin gegen das Oympia-Sponsoring der Wohnungsplattform Airbnb nicht tun. Gewiss, Anne Hidalgo hat dem ahnungslosen Präsidenten des IOK, Thomas Bach, einen Brief geschrieben, in dem sie ihn vor Risiken und Konsequenzen dieses Sponsorenvertrags warnt und darauf verweist, dass Airbnb in Paris ein wichtiger Faktor für das Ansteigen der Mietpreise und den zunehmenden Wohnungsmangel ist. Ian Brossat, der für das Wohnungswesen zuständige beigeordnete Bürgermeister, wurde noch deutlicher: „Es ist eine skandalöse und verantwortungslose Entscheidung des IOK angesichts der katastrophalen Konsequenzen, die die Aktivitäten von Airbnb auf den Wohnungsmarkt in Paris und in anderen französischen Städten haben.“
IOK-Chef Thomas Bach hatte dagegen bei der Vorstellung des Sponsoren-Vertrags mit Airbnb, den britische Medien auf 500 Millionen Euro beziffern, ganz unschuldig oder bewusst zynisch erklärt, die Partnerschaft mit Airbnb ermögliche es, dass die gastgebenden Städte sich den Neubau von zahlreichen Hotels und damit Dutzende Millionen Euro ersparen könnten.
Referendum
Dieser Dolchstoss für die Pariser Stadtverwaltung durch das Internationale Olympische Komitee und Airbnb ist erneut auch ein Beispiel dafür, wie international agierende Finanz- und Wirtschaftsmächte mit der Politik und Politikern letztlich tun und lassen können, was sie wollen. Die Pariser Bürgermeisterin hat gegen die Institution des Internationalen Olympischen Komitees in diesem Fall keinerlei Handhabe.
Eines will Anne Hidalgo allerdings doch versuchen. Sollte sie bei den Kommunalwahlen im kommenden März wiedergewählt werden, schlägt sie der Pariser Bevölkerung schon heute ein Referendum vor über die Frage, ob und wie Airbnb künftig in dieser Stadt weiter agieren darf. Damit ist eines sicher: das Thema Airbnb wird in den kommenden Monaten des Pariser Kommunalwahlkampfs nicht nur eine Nebenrolle spielen.