Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet, der gerne Kanzlerkandidat wäre, will sich noch rasch vor der Wahl im September um ein Programm kümmern. Alle sollen mitmachen, natürlich auch Interessierte ausserhalb der Partei: Wir alle machen Programm, wer hat noch eine nette Idee?
Parteien sind aber keine Wohlfühlvereine. Ihre Mitglieder schliessen sich zusammen, weil sie gemeinsam bestimmte Anliegen durchsetzen wollen. Um zu erklären, wie das alles politisch vonstatten gehen soll, formulieren sie Programme. Entsprechend berühren Programme den innersten Kern einer Partei, und der besteht aus Überzeugungen.
Allerdings können der Gang der Geschichte und die damit verbundenen politischen Entwicklungen Parteien dazu bringen, ihre Programme zu ändern. Das berühmteste Beispiel dafür ist das Godesberger Programm der SPD von 1959, mit der die Partei sich von alten sozialistischen Ideologien verabschiedete und sich mit der sozialen Marktwirtschaft aussöhnte. Das war eine Art Häutung.
Auch andere Parteien haben mit dem Problem zu kämpfen, dass die Zeit über ihre Programme hinweggehen kann. Sie müssen ihr ursprüngliches Anliegen neu formulieren. Aber worin besteht es bei der CDU? Das «Christliche» im Parteinamen könnte eine Orientierung bieten, wenn man wüsste, wofür das Christentum heute noch steht. Der Spannungsbogen zwischen dem Vatikan und Basisbewegungen in Deutschland ist dafür wohl zu gross.
Das ist aber nicht der tiefste Grund für das Fehlen eines Programms der CDU. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass dahinter die Furcht vor Konflikten liegt. Man möchte den Zusammenprall von Überzeugungen vermeiden, wenn es um mehr geht als um das aktuelle Krisenmanagement der Politik. Denn zu einem Programm gehören Richtungsentscheidungen und damit Abgrenzungen. Es können Opfer verlangt werden. Oder es wird Verzicht abgefordert. Es gibt kein glaubwürdiges politisches Programm, das nur aus Wohltaten besteht.
Für die CDU war das lange Zeit selbstverständlich. Sie stand lange hinter der Wehrpflicht, die für junge Männer ein Opfer bedeutete. Und bei den Sozialausgaben wurde eher Zurückhaltung geübt. Einige Koordinaten haben sich gesamtpolitisch auch unter Mitwirkung der CDU verändert. Doch wird man auch heute nicht umhin kommen, die Fragen nach den Grenzen des Wachstums neu zu stellen und sich darüber klar zu werden, wem welches Opfer und wem welcher Verzicht zugemutet werden muss. Die Hoffnung, dass sich diese unangenehme Wahrheit auf Dauer mittels ungedeckter Wechsel auf die Zukunft mit entsprechenden Schulden umgehen lässt, wird sich als trügerisch erweisen.
Es ist fatal, der Diskussion darüber auszuweichen, indem man lieber über mehr oder weniger populäre Kanzlerkandidaten klatscht und tratscht. Das ist gut für Talkshows, aber schlecht für die Politik. Und irgendwie spüren das die Wähler, worauf die erstaunlich mässigen Umfrageergebnisse des möglichen Kanzlerkandidaten Laschet hindeuten.