Unlängst bin ich in der NZZ auf die Information gestossen, das es in den USA einen Professor für Sozialpsychologie namens James Pennebaker gibt, der auf Zusammenhänge zwischen Sprachgebrauch und Persönlichkeit spezialisiert ist. Pennebaker lehrt an der University of Texas at Austin. Er untersucht, inwieweit man aus den Worten, die jemand benutzt, auf dessen Persönlichkeit schliessen kann. Er hat dazu verschiedene Analysenprogramme entwickelt.
Diese Programme kenne ich nicht. Aber dass die Verwendung bestimmter Wörter in manchen Fällen durchaus Rückschlüsse auf denjenigen nahelegen, der diese Vokabeln gebraucht, leuchtet ein. Werden etwa in einem O-Ton-Dialog im Radio laufend Adjektive wie „geil“ oder „cool“ eingeschoben, so kann man sicher sein, dass es sich um einen Wortwechsel unter Jugendlichen handelt.
Ein anderes Beispiel: Ein Artikelschreiber wirft einem andern Artikelschreiber vor, sich als „Oberlehrer“ zu gebärden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit lässt sich aus der sprachlichen Wahl dieses Vorwurfs ableiten, dass wir es hier mit einer Auseinandersetzung unter Schreibern gesetzteren Alters zu tun haben. Jüngere Leute würden da wohl andere Vokabeln wählen. Vielleicht könnte man noch als Vermutung hinzufügen, dass diejenigen, die mit dem Vorwurf „Oberlehrer“ hantieren, selber nicht frei sind von oberlehrerhaften Neigungen.
„Besserwisser“ kommt als Ersatz für das etwas altbackene Schimpfwort „Oberlehrer“ in Frage. Auch die entschieden derberen Kraftwörter „Klugscheisser“ oder „Klugschwätzer“ können, je nach Kontext und stilistischer Absicht, in Betracht gezogen werden.
Überflüssig zu sagen, dass der Begriff „Oberlehrer“ in älteren Zeiten natürlich ein ehrenvoller Amtstitel war, der erst später zum giftig-spöttischen Schimpfwort mutierte. Auch daraus lässt sich gesellschaftlicher Wandel ablesen.
Schliesslich noch eine Anmerkung zur einst im frisch wiedervereinigten Deutschland ziemlich verbreiteten ironischen Wortschöpfung „Besserwessi“. Dieser Ausdruck, 1991 noch zum Wort des Jahres gekürt, ist heute kaum noch im Schwange. Auch das hat offenkundig soziokulturelle Hintergründe – den Umstand nämlich, dass die mentalen Gräben zwischen West- und Ostdeutschen 28 Jahre nach der Wiedervereinigung erheblich eingeebnet worden sind.