In ihrer Rubrik „Meinung & Debatte“ verkündet die NZZ ihre etwas skurrile Meinung über die „Operation Libero“. Offensichtlich erwartet sie jetzt eine schweizweite „Liberallalla Debatte“, um bei ihrer Wortwahl zu bleiben. Wäre es möglich, dass sich hinter der liberalen NZZ-Fassade ein unzeitgeistig verpackter „liberaler“ Konservatismus versteckt? Wäre es gar denkbar, dass sich die im 18. Jahrhundert gegründete NZZ in ihrer Führungsposition der freisinnig-demokratischen Wächterrolle bedrängt fühlt?
„OPERATION LIBERO“
Wer ist diese „Operation Libero“, nachfolgend OP genannt? Zum besseren Verständnis schon mal kurz das Portrait dieser seit einigen Jahren keck auftretenden, politischen Jungendbewegung, die sich selbst so bezeichnet: „Operation Libero steht für Umbruch in der Schweizer Politlandschaft. Wir engagieren uns für eine Schweiz, in welcher wir das Chancenland des 21. Jahrhunderts sehen. Wir flüchten uns nicht in simple Scheinlösungen angesichts einer komplexer werdenden Umwelt, sondern gestalten die Zukunft nach unseren Vorstellungen. Wir sind die neue politische Bewegung der Schweiz.“ Die aktive Gruppe junger Leute hatte sich erstmals 2014 vorbehaltlos in den Abstimmungskampf gegen die SVP-Durchsetzungsinitiative engagiert, erfolgreich, wie wir wissen.
Die Sicht der NZZ
„Fest steht, dass es die jugendlich-sympathischen Aushängeschilder der Operation Libero geschafft haben, sich als moderne, progressive Kraft zu vermarkten. So plappern die meisten Journalisten ebenso entzückt wie unreflektiert von einer liberalen Bewegung oder gar von einem neuen (sprich: besseren) Liberalismus“, informiert die NZZ ihre Leserschaft. Abgesehen mal vom Kompliment an die OP und jenem an die „meisten Journalisten“ (beide bedanken sich dafür), stellt sich die Frage, wo das Problem eigentlich liegt? Dass SVP-Nationalrat Claudio Zanetti die OP als „eine Gruppe linker Jugendlicher, die sich nicht getrauen, ihren Eltern zu sagen, dass sie links sind“, bezeichnet, entspricht in der Wortwahl dem Gedankenhorizont Zanettis und soll ihm nicht übel genommen werden.
Warum also das Engagement der NZZ gegen die Operation Libero? Offiziell sieht das Blatt „hinter deren liberalen Fassade viel zeitgeistig verpackter Sozialdemokratismus“. So what? Diese Sicht soll der NZZ niemand trüben, doch was stört sie an „der Fokussierung auf Anti-SVP-Themen“ dieser jungen politisch engagierten Leute? Das Engagement des Libero-Aushängeschilds Flavia Kleiner, die sich ganz unverfroren erlaubt, selbst zu entscheiden, wo und wann sich ihre Truppe für oder gegen eine Initiative einzusetzen gedenkt und dies auch begründet, erlebt die NZZ so: „Hinter solchen altklugen Politikerfloskeln verstecken sich meist interne Unstimmigkeiten oder Opportunismus.“
Ist diese Sicht der Dinge das Resultat eines „Undercover-Agenten“ der NZZ, der sich in die Reihen der OP eingeschlichen hat? Jedenfalls lässt ihr Urteil, dass die OP „freisinnig, wie es die SP will“ handle, aufhorchen. „Freisinnig“ ist interpretationsbedürftig: Da sich die NZZ offensichtlich die Deutungshoheit über den Begriff „freisinnig“ zutraut, sei an dieser Stelle lediglich daran erinnert, dass sich die OP nicht als „freisinnig“, sondern als „liberal“ beschreibt. Auch diese Verwechslung ist der NZZ nicht nachzutragen.
Verdienste der Operation Libero
Um die Verwirrung noch zu steigern, attestiert die NZZ der OP durchaus Positives. Ihr gefallen insbesondere die liberalen Forderungen wie die Kritik an der „massiven Subventionierung des öffentlichen Verkehrs, [und] sie ist gegen den Protektionismus in der Landwirtschaft und befürwortet den freien Personenverkehr […]. Diese Auszeichnung von NZZ-Gnaden wird die Strategen der OP sicher freuen und motivieren.
„We are Politics!“
Als am 13. Januar 2017 an der Arenaveranstaltung im „Impact Hub Viadukt“ in Zürich an die hundert engagierte Vertreterinnen und Vertreter von Operation Libero, foraus, Avenir Jeunesse, Youth Rep, DSJ und Yes trotz Schneetreiben und Eisglätte zusammengeströmt waren, um engagiert über die Zukunft der Schweiz zu diskutieren, konnte ich mich persönlich darüber nur freuen. Jedenfalls war an diesem Abend rein gar nichts davon zu spüren, dass sich die OP mit „ein paar liberalen Ausrufezeichen, gepaart mit viel Schwammigkeit und Staatsgläubigkeit“ in Szene setzten und „mit diesem Profil eine gute Wahl für alle, die auch irgendwie liberal sein wollen“ anstrebten.
Die Kernbotschaft dieses Abends war: „Die Zukunft der schweizerischen Demokratie ist radikal partizipativ. Neue Bürgerplattformen und soziale Medien bestimmen den entscheidenden politischen Diskurs. Hier schalten wir uns ein und übernehmen Verantwortung. Der heutige Anlass im Impact Hub Zürich ist ein Anfang. Wir stützen uns nicht nur auf das eigene Weltbild, sondern lassen auch andere Meinungen zu. Wir beteiligen uns aktiv an der politischen Mobilisation der Bevölkerung. Nicht, indem wir gegen andere kämpfen, sondern mit ehrlichen Kooperationsideen, um Lösungen und Reformen anzustossen.“
Was ist daran so falsch oder als „zeitgeistig verpacktem Sozialdemokratismus“ auszumachen?
Der Begriff „liberal“ ist – zum Beispiel im Duden – sehr genau umschrieben. Ob sich die Operation Libero oder die NZZ diese Bezeichnung zutrauen, ist nicht matchentscheidend. Wichtiger scheint die praktische Auslegung im Alltag. Wer von beiden ist nun mehr „liberallalla“? Dass sich die OP und andere Jugendorganisationen politisch involvieren, ist aus meiner bescheidenen Sicht der Dinge eine wunderbare Entwicklung.