Als Asien- und China-Korrespondent reichte der Blick hin und wieder über den asiatischen Tellerrand hinaus. Zumal für einen Schweizer. Auffallend dabei: In den letzten Jahren war in den helvetischen, meist deutschschweizerischen Gazetten und lokalen elektronischen Medien im Zusammenhang mit der SRG fast durchwegs vom „Staatsfernsehen“ und etwas weniger von „Staatsradio“ die Rede.
Kampfbegriff
Redaktoren, Nachrichten-Journalisten und Kommentatoren, welche die Grundregeln des Handwerks beherrschen sollten, verwendeten mir nichts dir nichts bewusst oder – schlimmer noch – unreflektiert den Kampfbegriff „Staatsfernsehen“. Darauf erhielten sie jeweils von Ihrem Korrespondenten eine freundliche E-Mail. „Liebe Kollegin, lieber Kollege“, hiess es da, „in Nordkorea, China, Vietnam gibt es Staatsmedien. In der Schweiz gibt es öffentlich-rechtliches Radio und Fernsehen – ein kleiner, entscheidender Unterschied – mit freundlichen Grüssen.“
In der aktuellen No-Billag-Diskussion feiert der Kampfbegriff Staatsfernsehen wieder fröhlich Urständ, vor allem unter Politikern und libertär angehauchten Ökonomen. Der Markt allein soll es richten, alles andere ist staatlich und mithin des Teufels. In der „sozialistischen Marktwirtschaft mit chinesischen Besonderheiten“ oder der illegalen kleinen Marktwirtschaft Nordkoreas würde die unsichtbare Hand vielleicht funktionieren, weil dort die Märkte im Unterschied zur kleinräumigen Schweiz gross, ja riesengross sind. Schliesslich kennen Chinas Xi Jinping und Nordkoreas Kim Jong-un sehr wohl ihren Adam Smith, Keanes, Hayek, Schumpeter und dergleichen. In Ostasien darf jedoch der Markt nur in der Wirtschaft spielen, nicht aber in den Medien – da seien Marx, Engels Lenin, Stalin, Mao und Kim Il-sung vor. In Nordkorea, China oder Vietnam gibt es auf diese Weise echtes Staatsfernsehen, genuines Staatsradio vom Feinsten und anstatt Zwangsgebühren wirksamen Zwang auf allen Ebenen.
Demagogisch abstrus
Den fetten Titel, „Die Schweiz braucht keine Staatsmedien“, klatschte das selbsternannte Leitmedium der Schweiz von der Zürcher Falkenstrasse 11 auf die Frontseite einer Samstagsausgabe. Geschrieben hat es herablassend im Elfenbeinturm Eric Gujer, Chefredaktor. Die demagogischen Zeilen kommen ohne jede Recherche aus, sind jenseits aller offensichtlichen Fakten, voller unbelegter Behauptungen und medienwirtschaftlich abstrus.
Und wiederum: Im neuen Zeitalter kann es nur der Markt richten. Der Text ist, um es zurückhaltend höflich zu formulieren, flach und unredlich. Dabei hätte der Chefredaktor nur im Büro seines kompetenten Medienredaktors Rainer Stadler – auch er ein SRG-Kritiker – vorbeischauen müssen, um sich kundig zu machen. Besser macht es Kurt W. Zimmermann, Medienkolumnist bei der Weltwoche. Er macht gleich Vorschläge, wie die SRG auf dem Schweizer Markt dank Werbung überleben könnte. Wie Zimmermann, selbst auch Verleger, die Märkte Deutschschweiz, Romandie, Ticino derart schräg analysieren kann, bleibt sein Geheimnis.
Plan B
Immerhin hat einer bei Zimmi – wie er unter Kollegen heisst – vermutlich abgekupfert. Es ist ein studierter Ökonom und Politiker einer staatstragenden Partei. FDP-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler, Direktor des einflussreichen Schweizerischen Gewerbeverbandes, liess nach eigenem Bekunden einen Plan B für die SRG ausarbeiten. Ein Plan B, fast wie in der Weltwoche von Zimmermann skizziert. Sei’s drum. Der kleine, zersplitterte Markt Schweiz jedenfalls soll es da richten. Die SRG, so Ökonom Bigler, werde „No Billag“ überleben Mit Abos, Pay-TV und weiteren Schmonzetten der Unsichtbaren Hand.
Voodoo-Economics
Das sind nur drei Beispiele von Voodoo-Economics gegen den „Staatssender“ SRG. „Zwangsgebühren“ füttern den ineffizienten Staatsmoloch, beklagen sich die No-Billag-Befürworter. Man muss jetzt nicht gerade in den Ton des seligen Angedenkens an den Kalten Krieg verfallen und ausrufen: Moskau einfach! Auch „Nordkorea einfach!“ wäre in Staatssender-Zusammenhang wohl übertrieben. Doch ein „Nordkorea retour!“ mag durchaus angebracht sein. In Pjöngjang nämlich – oder wahlweise in Peking oder Hanoi – liesse sich trefflich der Unterschied zwischen einem Staatssender und einer öffentlich-rechtlichen Anstalt recherchieren.
Danach könnte endlich die längst überfällige Diskussion über den Service Public und die nötige Kritik an der SRG beginnen.
PS: Der Autor hat jahrzehntelang fürs Schweizerische Farbfernsehen und das Schweizerische Schwarz-Weiss-Radio gearbeitet und dafür natürlich horrend überrissene Honorare bezogen. Während der gelegentlichen Ferienreisen in die Schweiz hat er in den letzten Jahrzehnten nie die Billag-Zwangsgebühr entrichten müssen. Politisch tarnte sich der Autor wie so viele SRG-Journalisten als parteilos, war aber tatsächlich links bis extrem links, was Mitte der 1970er Jahre bereits der Hoferclub und Mitte der 1980er Jahre auch das Leitblatt von der Zürcher Falkenstrasse festgestellt haben.