Neue Ernährungsempfehlungen lassen keine Zweifel offen: Berücksichtigt man neben der Gesundheit auch den Faktor Nachhaltigkeit, stehen pflanzliche Proteinlieferanten in der Gunst ganz oben auf der Lebensmittelpyramide.
Schon seit längerer Zeit beschäftigen sich spezialisierte Gremien mit den Fragen, wovon wir mehr – oder weniger – essen und trinken sollten. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) und die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung haben im September 2024 neue Empfehlungen publiziert. Mehr pflanzliche Proteinlieferanten anstelle von Fleisch heisst eines der Rezepte.
Wissenschaft gegen Lobbys
Wenn uns aufgrund wissenschaftlicher Abwägungen neu empfohlen wird, mehr Hülsenfrüchte wie Linsen, Kichererbsen, Bohnen als Proteinlieferanten auf den Speisezettel zu setzen, so heisst das gleichzeitig: weniger Fleisch! Diese Empfehlung gefällt nicht allen. Sie kontrastiert zum Beispiel mit den ganzseitigen Inseraten der Proviande (Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft), die unentwegt auf Kosten der Steuerzahlenden für Schweizer Fleisch die Werbetrommel schlägt.
Schweizer Fleisch, wohlverstanden, nicht irgendein importiertes Produkt! Wer sich für Klimaerwärmung und Nachhaltigkeit interessiert, liest in Berichten des WWF, dass für ein Kilo Rindfleisch 5 bis 20 Kilo Futtermittel produziert und verfüttert werden. Vergleicht man die Emissionen der Produktion von einem Kilo Rindfleisch mit den Emissionen von beispielsweise einem Kilo Linsen mit ähnlichem Proteingehalt, zeigen sich enorme Unterschiede.
Für die Produktion eines Kilos Schweizer Rindfleisch wurden – gemäss FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) im Jahr 2017 – 12 bis 13 Kilo CO2-Eq ausgestossen. Bei Linsen sind es hingegen schlanke 0,7 Kilo CO2.
An dieser Stelle kommt die Politik ins Spiel. Wir sollten den Fleischkonsum einschränken, doch was machen unsere Politikerinnen und Politiker in Bern? Sie subventionieren die Fleischwirtschaft seit Jahren massiv. Auch der Detailhandel kann sich nicht aus der Verantwortung schleichen. Obwohl er immer wieder betont, nachhaltiger zu werden, bewirbt er Fleisch – ja, er senkt neuerdings die Fleischpreise.
Der Nachhaltigkeitsfaktor
In den neuen Studien wurde erstmals der Faktor Nachhaltigkeit integriert (Tages-Anzeiger), das scheint durchaus zeitgemäss. Wenn auf diese Weise ein jährlicher Fleischkonsum von bis zu 19 Kilo empfohlen wird – gegenüberdem heutigen 48-Kilo-Durchschnitt (!) –, so mag das überraschen. Doch – Hand aufs Herz: Ist es nicht so, dass auch auf anderen Gebieten (Autofahren als Beispiel) die Kosten erheblich höher ausfallen in dem Moment, in dem Klimaerwärmung und Nachhaltigkeit mitberücksichtigt werden?
Empfehlungen zur nachhaltigen Ernährung können also einen Beitrag leisten, um unser Wissen über diesbezügliche Zusammenhänge zu verbessern. Eigentlich zum eigenen gesundheitlichen Vorteil?
Weit oben auf dieser Lebensmittelpyramide finden wir auch Nüsse und Samen, von denen eine kleine Handvoll, bei Milchprodukten zwei bis drei Portionen täglich empfohlen werden. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass der Milchmarkt durch das Aufkommen von Pflanzendrinks als Milchersatz gewaltig in Bewegung geraten ist. So haben zum Beispiel Soja- oder Haferdrinks, aber auch Käse- oder Joghurtalternativen ein ganz anderes Nährstoffprofil als Milchprodukte. Dabei spielt die Verträglichkeit eine grosse Rolle, nicht alle Menschen reagieren gleich.
Neu wird auch der Fischkonsum als Alternative bei der Proteinzufuhr eingestuft. Der Faktor Überfischung fällt bei Lachs und Thunfisch ins Gewicht – weniger bei Heringen, Sardellen und Makrelen.
Kaffeegenuss: Entwarnung! Obst und Gemüse: Achtung!
Tatsächlich heisst es jetzt, dass bei Berücksichtigung wissenschaftlicher Studien ein moderater Kaffeegenuss (nicht mehr als drei Tassen täglich) gesundheitsfördernd ist. Damit wird auch die maximale Koffeindosis pro Tag eingehalten. Im Gegensatz zu oben erwähnten Lebensmitteln sind hier die Empfehlungen weniger rigoros – bis sechs Tassen Kaffee täglich sind aus Umweltsicht toleriert.
An der Beurteilung des gesundheitlich hohen Werts von Obst und Gemüse wird nicht gezweifelt. Neu ist der Hinweis, dass vermehrt auf saisonale Produkte geachtet werden soll. Dabei ist die Bevorzugung von lokalen Produkten an sich kein stichhaltiges Argument. Das BLV weist als Beispiel darauf hin, dass eine hiesige Tomate, wenn ausserhalb der Saison in einem beheizten Treibhaus gezüchtet, im Vergleich zu einer italienischen Tomate aus dem Freiland schlechter abschneidet, auch nach Berücksichtigung des Transports per Lastwagen.
Was wir schon lange wussten
Eigentlich ist es allen klar: Süssgetränke, Süsses, salzige Snacks enthalten keine oder nur sehr wenige essenzielle Nährstoffe, dafür viele Kalorien. Sie dienen dem Genuss und sind aus Ernährungssicht verzichtbar. Sogar Light-Getränke sind kein guter Ersatz, da sie bis zu 20 Kilokalorien pro 100 Milliliter enthalten. Wasser wäre empfehlenswerter, wäre …
Die Empfehlungen dieser Fachstellen sind nicht mit Vorschriften zu verwechseln. Sie dienen jenen, die sich für den persönlichen, idealen täglichen Konsum orientieren wollen, aber als nützlicher Hinweis. Die eigenen Ernährungsgewohnheiten zu reflektieren kann ja nichts schaden.