Die Hinrichtung des iranischen Ringkampf-Meisters Navid Afkari hat weltweite Bestürzung ausgelöst. So wie zuvor bereits die Verurteilung des 27-Jährigen zu internationalen Protesten geführt hatte und zu Appellen an die iranischen Behörden, dieses Urteil aufzuheben.
Menschenrechtsorganisationen, Sportler und Politiker hatten sich an vorderster Front für Navid Afkari eingesetzt. Sie werden nun zähneknirschend zum Schluss kommen, dass Bitten, Appelle, Beschwörungen und auch klare Forderungen an die Adresse der iranischen Machthaber nichts nützen. Ja, vielleicht sogar erst recht deren Entschlossenheit stärken, sich „von der Welt nichts sagen zu lassen“. Eine Haltung, die nicht neu ist und die durchaus auch die Psyche der iranischen Politik widerspiegelt. Denn es ist ja „diese Welt“ gewesen, die den Iran seit vielen Jahrzehnten zu bevormunden versucht hat.
Verachtung der Menschenrechte
Schon unter dem Schah hat der Iran nicht besonders auf Ratschläge und Forderungen von aussen gehört, erst recht aber nicht seit der Islamischen Revolution. Obwohl – oder gerade weil – die neuen Herrscher das alte System in vielen Punkten in den Schatten stellten und stellen: In Korruption und Vetterleswirtschaft einerseits, mehr aber noch in seiner Verachtung der Menschenrechte andererseits und überhaupt in einem Mangel an Rechtsstaatlichkeit.
Diese Fakten waren und sind den Repräsentanten fremder Regierungen natürlich bekannt. Besonders in Europa und in den USA. So klang es denn überraschend naiv, als zum Beispiel EU-Politiker während des Prozesses und nach der Verurteilung Navid Afkaris reihum Teheran aufforderten, es möge den Prozess „nach rechtsstaatlichen Prinzipien“ führen. Wie sollte der Iran dazu imstande sein? Hat er doch schon seit der Vor-Revolutionszeit bewiesen, dass solches den Machthabern nicht in den Sinn kommt.
Gier und Korruption
Egal, welcher Couleur sie sind. Machtmissbrauch war und ist an der Tagesordnung. Und all dies wurde vom Ausland ja auch lange, viel zu lange hingenommen. Solange dieses nämlich seinen Nutzen davon hatte. Nicht nur in Form von iranischem Öl, sondern auch durch einen äusserst attraktiven Importmarkt Iran. Dies alleine hätte sicher schon ausgereicht, vernünftige Beziehungen mit dem Iran zu unterhalten.
Aber Gier und Korruption sind nicht am Persischen Golf erfunden worden, und sie sind längst auch im Rest der Welt zu Hause.
Dort aber werden die bilateralen Beziehungen mit dem Iran schon längst nicht mehr unter vernünftigen, vor allem aber: menschlichen Aspekten gestaltet. Wichtig ist, was einem nützt. Die USA haben im Nahen und Mittleren Osten seit geraumer Zeit auf die arabischen Ölstaaten gesetzt, wie auch – freilich aus anderen Gründen – auf Israel. Für den Iran bleibt ein von Washington gepflegtes Feindbild, dem die anderen Staaten sich aber notgedrungen anschliessen oder unterordnen. Weil sie sonst unter den Folgen der amerikanischen Sanktionen zu leiden hätten.
Grundsätzlich ändert sich im Iran nichts
Gewollt oder ungewollt unterstützt das Konstrukt der US-Sanktionen gegen den Iran eine verhängnisvolle Konfrontation zwischen beiden Lagern. Und es stärkt dabei auch die gegenwärtigen Machthaber in Teheran. Egal, ob sie unter dem Firmenschild „Reformer“ auftreten oder dem der „Konservativen“. Ihre politischen Vertreter haben privat längst ihre Schäfchen ins Trockene gebracht, jetzt geht es ihnen in erster Linie um Machterhalt. Selbst wenn die regelmässigen Wahlen auch immer wieder einen Wechsel vom einen zum anderen Lager vorgaukeln. Tatsache ist, dass sich GRUNDSÄTZLICH kaum etwas ändert.
Und grundsätzlich müsste sich einiges ändern, damit die Verhältnisse im Iran sich ändern und auch sein Verhältnis zum Rest der Welt sich verbessert und normalisiert. Mit einem neuen Präsidenten im Weissen Haus ist es dabei ebensowenig getan wie mit einem Wechsel an der Spitze der iranischen Regierung. Es muss schon grundlegende Veränderung erreicht werden. Etwa, indem die wichtigsten Staaten der Welt sich mit dem Iran auf grundlegende Werte einigen. Vor allem aber auf deren Einhaltung. Eigentlich nichts leichter als das, denn dafür gibt es doch die Vereinten Nationen. Wenn ein Teil deren Mitglieder nicht schon längst von der Korruptions- und Machtmissbrauchs-Pandemie ergriffen wären.
Erzwungenes Geständnis?
Und woher soll ein Wechsel im Iran kommen? Wo die Mächtigen doch ebenso an ihren Sesseln kleben wie in Belarus oder in Nordkorea? Und alle sich immer wieder auf wirklichen oder vermeintlichen „Druck von aussen“ berufen können?
In letzter Zeit ziehen solche Argumente zwar nicht mehr so gut wie in der Vergangenheit, bis sich daran aber grundsätzlich etwas ändert, kann das noch viele Opfer fordern. Wie im vorlegenden Fall: 2018 demonstrierten unzufriedene Iraner gegen die Verhältnisse und es kam zu gewalttätigen Zusammenstössen: Demonstranten wurden getötet, andere verletzt, wieder andere festgenommen. Einer davon war Ring-Meister Afkari. Man warf ihm vor, einen Geheimpolizisten erstochen zu haben, er wurde zum Tode verurteilt. Freilich nicht ohne besondere Tücke: Erst einmal lange Auspeitschungen, dann jahrelange Haft und dann die Hinrichtung. Im iranischen Fernsehen war ein „Geständnis“ des Angeklagten zu sehen, dieser behauptete aber, durch Folterung zum Geständnis gezwungen worden zu sein. Das Oberste Gericht bestätigte trotzdem das Todesurteil und die Hinrichtung fand statt, bevor die Eltern Afkaris sich mit denen des Opfers treffen konnten: Letztere hätten von der Hinrichtung Abstand nehmen können, dazu kam es dann aber nicht.
Sanktionen bewirken nichts
Erbitterter Protest von Menschenrechtlern und Politikern hat daran nichts ändern können und wird eine Wiederholung auch in Zukunft nicht verhindern, wenn sich nicht grundsätzlich etwas ändert. Und zwar nicht nur im Iran, sondern im Verhältnis der Welt zum Iran. Kürzlich meinte der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, in einem Interview des WDR, der Iran sei das beste Beispiel für gelungene Sanktionspolitik. Das Gegenteil dürfte der Fall sein: Die Sanktionen haben dem Regime in Teheran Argumente geliefert, warum jeder Protest gegen das System ein feindlicher Akt sei, gegen den man mit aller Härte vorgehen kann.
Zuerst müssen die Sanktionen weg, dann müssen Gespräche mit dem Iran aufgenommen werden. Gespräche über eine Normalisierung ohne Anführungszeichen. Damit Dinge wie bisher in einem künftigen Rechtsstaat Iran nicht mehr geschehen können, der Iran aber nicht untergebuttert, sondern gleichberechtigtes Mitglied der Völkerfamilie wird. Er hätte das Zeug dazu, leuchtendes Vorbild nicht nur für die eigene Region zu werden.