Am 16. Mai soll Präsident Erdogan Präsident Trump in Washington treffen. Schwierige Gespräche stehen bevor, weil Trump nicht gewillt scheint, die beiden Hauptforderungen, die Erdogan stellt, zu erfüllen. Die Bewaffnung der syrisch-kurdischen Kämpfer der YPG ist beschlossene Sache. Erdogan hat gesagt, er werde versuchen, Trump dazu zu veranlassen, „diesen Fehler zu korrigieren“. Was Erdogan aber kaum gelingen wird.
Rechtliches Dilemma
Die zweite Forderung ist die Auslieferung des Predigers Gülen, dem die türkischen Behörden vorwerfen, er habe den blutigen und misslungenen Staatsstreich vom vergangenen Juli organisiert. Diese Angelegenheit liegt in den Händen der amerikanischen Gerichte. Sogar wenn er es wollte, könnte Trump schwerlich den Rechtsweg verlassen oder in dem Sinne beeinflussen, dass Erdogans Begehren erfüllt wird.
Der amerikanische Präsident wird versuchen, seinen türkischen Kollegen zu beschwichtigen. Wie weit ihm dies gelingen wird, bleibt abzuwarten.
Wirtschaftlicher Umbruch
Drei Tage später, am 19. Mai, wird Trump seine erste Reise als Präsident in den Nahen Osten antreten. Er besucht zuerst Saudi-Arabien, dann Israel. Im Vorfeld des Besuchs in Saudi-Arabien ist von einem neuen Waffengeschäft mit den USA in der Höhe von 100 Milliarden Dollar die Rede.
Die Saudis werden bei Trump darauf dringen, dass „etwas“ gegen Iran unternommen werde. Der Lieblingssohn des saudischen Königs, Muhammed Ibn Salman, wird entscheidend mitreden. Muhammed ist zur Zeit der mächtigste Mann im saudischen Königreich. Als Verteidigungsminister führt er den nun schon zweijährigen Krieg gegen die Huthis in Jemen. Als Chef der Wirtschaft plant er, das gesamte Wirtschaftssystem des Königreiches von Grund auf umzukrempeln, so dass es aus einer Rentner-Ökonomie in eine produktive Wirtschaft verwandelt wird. Muhammed regelt auch den Zugang zu seinem Vater, dem 81-jährigen König, dessen Gesundheit als instabil gilt.
Glaubenskrieg gegen Iran?
In Riad wird der amerikanische Präsident auch mit der Abneigung der Saudis gegenüber Iran konfrontiert werden. Der erwähnte Prinz Muhammed hat sie kürzlich öffentlich artikuliert. Er wurde gefragt, ob Gespräche zur Überbrückung der Gegensätze mit Iran geführt werden könnten. Das sei unmöglich, antwortete er. Denn mit einer aggressiven Ideologie, wie sie in Iran herrsche, seien Gespräche nutzlos. „Sie glauben, der Imam Mahdi werde kommen, und sie müssten ein fruchtbares Umfeld für seine Ankunft schaffen. (...) Sie müssten dazu den Islam unter ihre Kontrolle bringen.“ – „Wir wissen genau“, sagte der Prinz in einem Radio-Interview, das auch vom staatlichen saudischen Fernsehsehen übernommen wurde, „was die Iraner im Schilde führen. Sie wollen sich des Fokalpunktes des Islams bemächtigen (womit er auf Mekka anspielte). Aber wir werden nicht warten, bis der Kampf Saudi-Arabien erreicht. Wir werden bewirken, dass sich die Schlacht auf ihrer Seite abspielt, innerhalb Irans, nicht in Saudi-Arabien.“
Der iranische Verteidigungsminister, Hussein Dehghan, antwortete darauf in nicht minder aggressivem Ton: „Wenn die Saudis irgendetwas Dummes tun sollten, werden wir keines ihrer Gebiete unbeschädigt lassen – ausser Mekka und Medina.“ Der Minister fügte hinzu: „Sie bilden sich ein, sie könnten etwas unternehmen, weil sie eine Luftwaffe haben!“
Zwischen Agitation und Friedenshoffnung
Am gleichen Tag, an dem Trump in Riad eintreffen soll, wird in Teheran gewählt. Der bisherige Präsident, Rouhani, hat einen schweren Stand gegen Ebrahim Raisi, den neuen angeblichen „Favoriten“ des herrschenden Gottesgelehrten Chamenei. Raisi ist ein Mann der harten Linie, ein ehemaliger Staatsanwalt, beteiligt an der Massenhinrichtung von 800 gefangenen Oppositionellen am Ende des irakisch-iranischen Krieges im Jahr 1988, die Chomeini betrieb, um damals, in der kritischen Stunde seines militärischen Versagens, allen Widerstand abzuwürgen. Raisi wurde im vergangenen Jahr von Chamenei zum Aufseher über die Güter des schwerreichen Heiligtums von Meschhed ernannt.
Dieser wichtigste Gegenspieler Rouhanis ist ein Verbündeter der Revolutionswächter und ihres verzweigten Wirtschaftsimperiums. Den Revolutionswächtern liegt an der Fortführung der scharfen Konfrontation mit den westlichen Mächten, weil ihre Macht darauf beruht, dass sie unter diesen Umständen die iranische Abwehr der westlichen Feinde militärisch, aber auch wirtschaftlich und politisch in die Hand nehmen. Sie würden eine Politik am Rande des Krieges betreiben.
Ausbleibender Wirtschaftsaufschwung
Ihre Kritik an Rouhani richtet sich darauf, dass er die Atomwaffen zu leicht und zu billig aus der Hand gegeben habe. Doch ihr zweiter Vorwurf wirkt schwerer bei den Wählern. Er besagt, das Versprechen Rouhanis einer wirtschaftlichen Wiederbelebung nach dem Atomvertrag sei nicht erfüllt worden. Diese Kritik trifft zu.
Die Wiederbelebung der iranischen Wirtschaft hat nicht stattgefunden. Immer noch liegt die Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen bei 30 Prozent. Die Inflation wurde zwar von 30 auf 7 Prozent reduziert, doch sie ist immer noch da. Der erhoffte Aufschwung der Wirtschaft nach Aufhebung der Sanktionen kam nicht zustande, weil Sanktionen, die auch die amerikanischen Banken betreffen, bestehen blieben und sogar weiter ausgedehnt wurden. Sie beruhen auf Uno-Verboten bezüglich der Entwicklung neuer Raketen.
Auch nicht-amerikanische Banken zögern, in Geschäfte mit Iran einzutreten, weil sie die Macht der amerikanischen Bankenaufsicht fürchten. Das Wahlresultat in Iran ist daher ungewiss. Wenn Rouhani verliert, sind neue Spannungen zwischen Iran und den westlichen Mächten zu befürchten. Vergleichbar mit jenen, die unter Präsident Ahmadinedschad bestanden. Washington würde daran eine erhebliche Mitschuld tragen, weil es vermieden hat, die Konzilianz Rouhanis in der Atomfrage wirklich zu honorieren.
Trump kann nur ausweichen
Trump platzt in diese Lage hinein. Die Saudis werden versuchen, ihn zu veranlassen, ihre Pläne gegenüber Iran zu unterstützen, worin immer diese Pläne konkret bestehen sollten. Der Umstand, dass sie in Syrien – wo sie ja auch primär gegen Iran angetreten sind – eher auf der Seite der Verlierer stehen als auf jener der Sieger, und dass im Jemen ihr Luftkrieg, ebenfalls als ein Stellvertreterkrieg gegen Iran ausgelöst, harziger voran geht, als sie geplant hatten und auf wachsende Kritik stösst, scheint die Saudis in ihrem Vorhaben, Iran und dessen Einfuss in der arabischen Welt zu bekämpfen, eher verstärkt als gemildert zu haben.
Seine saudischen Gesprächspartner werden Trump auffordern, mit ihnen ein gemeinsames Vorgehen gegen die iranische Gefahr zu planen und anzupacken. Trump jedoch wird versuchen, die Freundschaft mit Saudi-Arabien aufrechtzuerhalten, ohne gleich mögliche Angriffspläne der Saudis gegenüber Iran zu billigen oder zu unterstützen. Er wird vielleicht sogar versuchen, ihnen nahezulegen, dass der Huthi-Krieg beendet werden müsse, sogar wenn dies statt eines Endsiegs Kompromisslösungen erforderlich mache. Trumps Hauptargument gegenüber allen nahöstlichen Partnern und Freunden wird sein, dass der Kampf gegen den IS Vorrang habe. Dies sei das erste und dringlichste Vorhaben der Amerikaner. Nach der Ausschaltung des IS könne man weitere Pläne schmieden.
Erfüllung des Jerusalem-Versprechens?
In Israel wird erwartet, dass Trump Klarheit in Bezug auf seine im Wahlkampf gegebenen Versprechen schafft. Er wollte ja die amerikanische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem überführen und damit die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels von amerikanischer Seite besiegeln. Nach seiner Wahl kamen Trump doch Bedenken. Wahrscheinlich versuchten seine Berater, ihm klar zu machen, dass die Erfüllung des israelischen Wunsches bei den Palästinensern eine scharfe Reaktion heraufbeschwören würde. Sie würde eher zu Blutvergiessen führen als zu einem „Frieden“ zwischen den Israeli und den Palästinensern, von dem Trump behauptet, er werde ihn demnächst ohne Schwierigkeiten bewerkstelligen.
„Obama light“ als Nahostpolitik?
Eine eigene Nahostpolitik hat die Trump-Administration noch nicht formuliert. Bisher sieht es so aus, als ob die „neue“ Nahoststrategie auf eine Weiterführung der Politik Obamas hinauslauf, gegen die Trump als Wahlkandidat kräftig gewettert hatte. Der bisher einzig erkennbare Unterschied liegt darin, dass die Trump-Administration offenbar den amerikanischen Militärs vor Ort (in Syrien, dem Irak und Afghanistan, sowie mit Drohnen in Jemen und in Somalia) grössere Handlungsspielräume erlaubt und möglicherweise auch mehr Soldaten als unter Obama bereitstellen wird. Was auch bedeutet, dass das Leben der nahöstlichen Zivilisten noch weniger schonend behandelt wird als bisher.
Manipulierbare Opferzahlen
Dieser Schönheitsfehler der Politik Trumps kann leicht durch „fake news“ vertuscht werden. Es ist immer leicht, „genaue Zahlen“ zu nennen, ohne die Kriterien zu schildern, auf denen sie beruhen. Wenn diese sehr restriktiv sind, werden auch die Zahlen gering ausfallen. Nach dem Muster: „Unsere Drohen haben nach gesicherten Erkenntnissen so und so viele vermutliche Terroristen getötet!“ Das Wort „vermutlich“ kann man im Bedarfsfall auch auslassen. Die „gesicherten Erkenntnisse“ lassen die „ungesicherten“ Todesopfer beiseite. Dies wirkt kurzfristig überzeugend. Langfristig wirft es die Frage auf, warum wohl den Terroristen immer neue Rekruten zuströmen.