Es war ein Stück wie aus dem «königlich bayerischen Amtsgericht». Nur siegte in dieser liebevoll inszenierten TV-Serie Anfang 70er-Jahre am Schluss immer die Gerechtigkeit, dem listigen, weisen Richter wurde dann im Biergarten zugeprostet, und die Blaskapelle trötete los.
Ganz anders im Fall Hoeness. Gleich am ersten der lediglich vier Verhandlungstage räumte der Bayern-Boss ein, eigentlich fünf Mal mehr Steuern hinterzogen zu haben, als ihm von der Anklage vorgeworfen wurde. Als dann eine Steuerfahnderin in ihrer Aussage nochmals 9 Millionen draufpackte, wurde das sowohl von der Verteidigung wie vom Richter kommentarlos akzeptiert. Da hätte eigentlich eine Blaskapelle einen Tusch spielen müssen.
Bajuwarisches Schnellgericht
Insgesamt dauerte die Beweisaufnahme kaum 8 Stunden. In einem Prozess, in dem es immerhin um die Aufarbeitungen von Zehntausenden von spekulativen Finanzgeschäften ging, die zudem erst kurz vor Prozessbeginn einigermassen vollständig dokumentiert eingereicht wurden.
Im Normalfall Anlass genug, den Prozess zu unterbrechen, um sich dem Aktenstudium hinzugeben. Hier aber nicht. Der Richter erklärte lediglich, dass er vor dem dritten und letzten Tag der Beweisaufnahme am Abend auf das Spiel Bayern gegen Arsenal verzichtet habe und stattdessen durch die Zahlengebirge gestiegen sei. So konnte dann dieser Gerichtstag nach bereits einer Stunde abgeschlossen werden. Tusch der Blaskapelle, und «oans, zwoa, g’suffa».
Dreieinhalb Jahre für 28,5 Millionen Euro hinterzogene Steuern, das kann man nach stehender deutscher Rechtsprechung nur als zartmilde bezeichnen, da haben andere für viel weniger schon viel mehr gekriegt. Nichtsdestotrotz zog die Verteidigung, die auf Einstellung des Verfahrens oder allerhöchstens bedingte Gefängnisstrafe plädiert hatte, ihre sofort nach dem Urteil angekündigte Revision zurück. Noch erstaunlicher: Auch die Staatsanwaltschaft, die zumindest 5 Jahre gefordert hatte, verzichtet ebenfalls auf einen Weiterzug.
Alle Fragen offen
Woher kam eigentlich das «Spielgeld» von Hoeness genau? Kann es wirklich sein, dass ihm der inzwischen verstorbene Adidas-Chef einfach mal so 20 Millionen lieh, ohne die geringste Gegenleistung zu verlangen, obwohl gerade neue Sponsorverhandlungen anstanden? Wurde die Schweizer Bankverbindung von Hoeness tatsächlich niemals für steuerneutrale Transferzahlungen benützt, wie es im europäischen Spitzenfussball die Regel ist? Handelte es sich bei dem Auf und Ab, zu Spitzenzeiten lagen 150 Millionen Euro bei Vontobel, wirklich nur um Gewinne oder Verluste von wilden Zockereien? Warum wurde nicht wenigstens der Versuch unternommen, mit dem Konto befasste Schweizer Banker zu einer Aussage zu bewegen, die in die Abfassung der unvollständigen Selbstanzeige involvierten Steuerberater und Anwälte von Hoeness von ihrer Schweigepflicht zu entbinden und zu befragen?
Kann es wirklich sein, dass nicht von Anfang an eine Absprache zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft existierte, wohlwollend geduldet vom Gericht? Einfach, um hier kein bodenloses Fass aufzumachen, sondern es bei ein paar vorsichtigen Schlucken aus der Mass bewenden zu lassen. Daher gilt einwandfrei: Nach dem Prozess ist vor dem Prozess. Nämlich des Prozesses der Aufarbeitung durch investigative Journalisten.
Denn das war kein Triumph des deutschen Rechtsstaates, kein leuchtendes Beispiel dafür, dass «die da oben» nicht anders behandelt werden als «wir hier unten». Dem Amtsgerichtsrat August Stierhammer aus der vergnüglichen TV-Serie von damals wäre bei diesem Prozess garantiert der Zwicker von der Nase gefallen, und der schöne Einleitungssatz der verfilmten Gerichtspossen gilt heute in Bayern offensichtlich auch nicht mehr: «Es war halt noch vieles in Ordnung damals. Denn für Ordnung und Ruhe sorgte die Gendarmerie und für die Gerechtigkeit das Königliche Amtsgericht.»