Am 16. August meldeten die Russen, sie flögen nun Bomber gegen den IS in Syrien aus einer Basis in Hamadan, welche die Iraner ihnen zur Verfügung gestellt hatten. Zwei Tage später deutete der russische Senator Victor Oserow an, auch die Türkei könnte ihnen eine Basis zur Verfügung stellen, um von ihr aus gegen den IS und andere Terroristen in Syrien vorzugehen. Dies, so der Senator, der zum Sicherheitsrat Russlands gehört, wäre eine logische Folge des Schrittes, den Erdogan gegenüber Russland getan hatte.
Inçirlik bisher von den USA benützt
Er erwähnte in diesem Zusammenhang Inçirlik, die Luftbasis der Nato, welche türkische Offiziere befehligen, wo aber auch amerikanische Kriegsflugzeuge und Piloten stationiert sind und wo 50 amerikanische Atombomben lagern.
Zur Zeit benützen die Amerikaner Inçirlik mit türkischer Zustimmung für ihre Bombardierungen des IS und der „Eroberungsfront“, wie der neue Name der Nusra-Front lautet, sowie für die Bombardierungen des IS im Irak.
Verlockung für Erdogan
Dass Ankara die Russen nach Inçirlik einladen könnte, ist unwahrscheinlich. Doch die gegenwärtigen Beziehungen der Türkei mit Washington sind angespannt wegen des Auslieferungsbegehrens des Predigers Gülen, das die Türkei mit aller Macht vorantreibt, das aber so rasch nicht zustande kommen dürfte. Was die Aussicht mit sich bringt, dass die türkisch-amerikanische Achse immer zerbrechlicher wird. Die Drohung mit Inçirlik erscheint deshalb nicht als völlig unbedenklich.
Die Russen stehen nicht nur in gutem Einvernehmen mit Iran, sie haben sich auch mit der Türkei Erdogans versöhnt, nachdem dieser sich für den Abschuss eines russischen Kriegsflugzeugs vom vergangenen November entschuldigt hatte. Moskau steht gleichzeitig auch in Gesprächen mit den USA über eine mögliche engere Kollaboration beider Mächte gegen den IS und die Eroberungsfront.
Putins strategisches Ziel
Doch zugleich verfolgt Putin sein strategisches Ziel unvermindert weiter: nämlich einen Asad, der langfristig darauf angewiesen sein wird, sich auf Russland zu stützen, zum Machthaber zuerst über das „nützliche“, westliche Syrien zu stärken und dann, nach dem Zusammenbruch des IS, zum Herrscher über ganz Syrien.
Dies natürlich pro forma auf völlig demokratischer Grundlage. Die überlebenden Syrer, die im Falle eines Sieges Asads dem syrischen Geheimdienst ausgeliefert sein werden, werden ohne Zweifel mit grosser Mehrheit für Asad stimmen.
Teheran verfolgt gleiche Ziele
Das Regime von Teheran stimmt voll mit diesen russischen Zielen überein. Nur wenn Asad weiter regiert, kann Teheran damit rechnen, dass es die Verbindung zum Hizbullah in Libanon, die über Syrien läuft, aufrechterhalten kann.
Freundschaft mit Russland bedeutet für Iran auch eine Stütze in der Auseinandersetzung mit Saudi-Arabien und eine Versicherung für den Fall, dass der nächste amerikanische Präsident oder die Präsidentin Iran unter Druck setzen könnte.
Kann Erdogan umgedreht werden?
Erdogan, König Salman von Saudi-Arabien und Washington sind der Ansicht, dass Asad abtreten sollte, möglicherweise, wie Washington einräumt, nach einer Übergangsfrist, während der alle syrischen Kräfte – ausgenommen der IS und die Eroberungsfront – sich über die Zukunft des Landes verständigen sollten. Wenn Moskau nun Inçirlik ins Spiel bringt, ist das ein Versuch, das türkische Glied der Anti-Asad-Kräfte auf die russisch-iranische Seite zu ziehen, indem Russland versucht, die Spannungen zwischen der Türkei und den USA zu verschärfen und auszunützen.
Sogar wenn dies zunächst nicht erfolgreich sein sollte, kann es Putin doch insofern nützlich sein, als es das Misstrauen zwischen den Amerikanern und den Türken fördert und dies möglicherweise auch zu Spannungen innerhalb der Nato führt. Darüber, ob die Atombomben in Inçirlik sicher seien oder nicht, gibt es bereits eine inner-amerikanische Diskussion.
Gleichzeitig dient der Hinweis auf Içirlik auch dazu, den Amerikanern nahezulegen, dass eine Verständigung mit den Russen über die Zukunft Syriens für sie besser wäre als eine Fortdauer des Krieges in Syrien unter dem wachsenden politischen Risiko eines Frontwechsels der Türkei Erdogans.