Als Anrede dient häufig ein unverbindliches „Hallo“ oder „Guten Tag". Aber der Schluss einer Mail enthält fast immer einen Gruss, als würde sich der gute alte Briefverkehr per Post an dieser Stelle ein Denkmal setzen.
Grüsse können bedeutungslose Floskeln sein, aber sie sind es nicht immer. „Mit freundlichen Grüssen“ in einem Geschäftsbrief bedeutet nichts. Ändert sich der Kontext, hat man es also mit einem anderen Absender zu tun, klingt dieser Gruss schon anders. Wenn ein Freund diese Grussformel verwendet, kann das bereits ein Zeichen für eine Verstimmung sein. Warum schreibt er nicht „Mit herzlichen Grüssen“?
Die Formel, „Mit besten Grüssen“, ist genauso zweischneidig. Bei einem unbelasteten Verhältnis zu dem auf diese Weise Gegrüssten ist das eine schöne Schlussformel. Handelt es sich aber beim Absender um jemanden, der früher „herzlich“ oder „lieb“ gegrüsst hat, könnten sich hinter der höflichen Formulierung schon leicht gefletschte Zähne zeigen.
Umgekehrt hat es sich bei manchen Firmen eingebürgert, Geschäftspartner oder Kunden „lieb“ zu grüssen: „Mit lieben Grüssen“. Haben Geschäftsbeziehungen etwas mit Liebe zu tun? Eher nicht. Man ist nicht schlecht beraten, wenn man auf die irgendwo im Hintergrund schrillenden Alarmglocken hört.
Es gibt eine Vielzahl von Adjektiven, mit denen die Grüsse geschmückt werden können. Da gibt es die „kameradschaftlichen“, die „freundschaftlichen“, die „sehr herzlichen“ Grüsse. Und selbstverständlich kann das Wort „Gruss“ durch andere Worte ersetzt werde, „Liebe“ zum Beispiel: „Alles Liebe für Dich“. Oder man streicht das Wort „Gruss“ ersatzlos und schreibt nur noch „herzlich“. Dadurch kann besondere Nähe signalisiert werden.
Oder auch nicht. Vielleicht meint man das nur. Denn es ist gar nicht so einfach, die genaue Bedeutung in der Vielzahl der Grussformeln zu ergründen. Die Worte allein reichen dazu nicht aus. Man muss die Stimmungslage des Grüssenden erkennen und einschätzen. Dabei sollte man sich allerdings davor hüten, allzu viel in den Gruss hineinzugeheimnissen. Das wäre die beste Art, sich unglücklich zu machen.
Und manchmal besagen Worte das genaue Gegenteil von dem, was sie „eigentlich“ bedeuten. Wenn ein gegnerischer Anwalt, der einen in Grund und Boden prozessieren will, seine Briefe „mit vorzüglicher Hochachtung“ unterschreibt, will er damit ganz sicher keine zarteren Töne anschlagen. Das ist eine Kriegserklärung.
Eines der rätselhaftesten Worte sind „Dein“ und „Ihr“. In früheren Zeiten, als Briefe noch mit der Hand geschrieben wurden, ergaben sich diese Widmungen von selbst. Dann kam die Schreibmaschine, und die besseren Sekretärinnen machten einen darauf aufmerksam, dass „Dein“ und „Ihr“ niemals – niemals! - im getippten Teil des Briefes stehen durften. „Dein“ und „Ihr“ erforderten Handschrift. Heutzutage kann man das „Dein“ und das „Ihr“ auch tippen. Zeit für eine kurze Überlegung: Wann schreibe ich „Dein“ oder „Ihr“?