55‘000 Personen besuchten dieses Jahr die Solothurner Filmtage. Ivo Kummer, der Direktor des Festivals, erklärte in seiner Schluss-Laudatio, dass sich die neue Programmierung ausbezahlt habe: Die Filmtage dauern jetzt von Donnerstag bis Donnerstag, und die Filme werden erstmals zweimal gezeigt. Ivo Kummer sagte, in der Schweizer Filmszene herrsche Aufbruchstimmung. Er werde „sofern ich noch lebe“ auch die nächstjährigen Solothurner Filmtage präsidieren.
An der Schluss-Gala am Donnerstagabend wurde neben dem Publikumspreis auch der mit 60‘000 Franken dotierte Jurypreis «Prix de Soleure» verliehen. Er geht an den Lausanner Regisseur Jean-Stéphane Bron für den Dokumentarfilm «Cleveland contre Wall Street».
Für seine „Sommervögel“ erhielt Paul Riniker an der Soirée de clôture einen langanhaltenden Applaus. Riniker, Jahrgang 1946, arbeitete jahrelang als Dokumentarfilmer für das Schweizer Fernsehen. „Sommervögel“ ist sein erster Spielfilm.
Journal 21: Welches ist die Botschaft ihres Films „Die Sommervögel“?
Paul Riniker: In zwei Sätzen zusammengefasst: Jeder Mensch hat einen Anspruch auf Liebe, soll ihn haben und soll ihn durchsetzen. Und: Man soll den Menschen mehr zutrauen, als man es normalerweise tut.
Die Filmbranche hat „Sommervögel“ nicht für einen Preis nominiert. Doch das Publikum hat den Film begeistert aufgenommen. Weshalb diese Diskrepanz?
Als ich erfuhr, dass ich den Preis gewann, telefonierte ich meinem Produzenten in Paris. Der sagte: Wir machen ja nicht Filme für die Branche, sondern für das Publikum.
Bei jedem Preis ist etwas Zufälliges dabei. Sicher spielt auch der Neid eine gewisse Rolle. Da sagen sich einige von der Filmbranche: 'Der alte Sack, der nach einem Leben im Fernsehen, noch seinen Spielfilm macht, na ja...' Ich kann mir vorstellen, dass dies bei meinem zweiten Spielfilm weniger eine Rolle spielt.
Zweiter Spielfilm? Welche Projekte haben Sie?
Verschiedene. Unter anderem möchte ich ein ganz verrücktes Projekt im Zürcher Stadtkreis vier realisieren: mit wenig Geld und viel Improvisation. Es geht darum, die verlorene Szene zwischen Mitternacht und Morgen zu zeigen. Die Leute, die mit Frustrationen herumhängen. Da möchte ich viele eigene Erinnerungen aufarbeiten.
Der Publikumspreis, den sie gewonnen haben, ist mit 10‘000 Franken dotiert. Das ist zu wenig, um einen Film zu drehen. Was machen sie mit dem Geld?
Etwas gebe ich sicher den Beteiligten von „Sommervögel“ weiter. Zudem habe ich jetzt ein neues iPhone bestellt.
Sehen Sie einen Aufbruch in der Schweizer Filmszene?
Ja, einen grossen. Die drei wichtigsten Verbände haben sich zusammengeschlossen. Wir arbeiten seit einem halben Jahr intensiv an einem neuen Förderkonzept. Wir haben Sofortmassnahmen initiiert. Wir hoffen jetzt, dass die Filmförderung entschlackt wird, und dass man nicht mehr Blockbusters à la Hollywood aus dem Hut zaubern sollte. Wie hätten wir kleinen Schweizer das tun sollen? Es gibt starke Anzeichen dafür, dass man der Filmpolitik die alte Freiheit zurückgibt.
Und all das wurde möglich, weil der Chef der Filmförderung gegangen ist.
Sehr vieles wurde plötzlich möglich, seit der Chef der Filmförderung gegangen ist.
(Das Gespräch führte hh)