Es war die dritthöchste Zustimmungsrate, die in einer schweizerischen Volksabstimmung je erzielt worden ist – und das bei einer Vorlage, die vom Schaffhauser Kleinunternehmer Minder zusammen mit einem engen Kreis von Helfern praktisch im Alleingang lanciert worden war. Nach einem solchen Trompetenstoss gegen das Ärgernis überrissener, mit gesundem Gerechtigkeitssinn nicht zu rechtfertigender Millionen-Gagen für Spitzenmanager diverser Grosskonzerne hätte man als braver Bürger eigentlich erwartet, dass solche Exzesse nun spürbar eingedämmt würden.
Das war offenbar eine allzu blauäugige Hoffnung. Weiterhin beziehen die obersten Chefs der grössten Schweizer Konzerne Traumgehälter in einer Bandbreite von 10 bis 15 Millionen Franken. War der von Minder ausgelöste Donnerschlag also für die Katz?
So sehen es die Pessimisten gerne. Doch ganz so wirkungslos war die Minder-Initiative keineswegs. Noch nie, so meldet die „NZZ am Sonntag“, seien die Widerstände an Aktionärsversammlungen börsenkotierter Firmen (nur solche unterliegen den Bestimmungen der Minder-Gesetze) so stark gewesen wie im Frühjahr 2017. Bei einigen Unternehmungen wie dem Investment-Verwalter GAM sind die unverschämten Boni der Geschäftsleitung und beim Schaffhauser Industriekonzern Georg Fischer der Vergütungsbericht des Verwaltungsrates von einer klaren Mehrheit der Aktionäre zurückgewiesen worden. Bei ABB und der Crédit Suisse gab es gegen diesen Vergütungsbericht 40 Prozent Nein-Stimmen, was angesichts der Tradition bei diesem Thema als schallende Ohrfeige an die Verantwortlichen interpretiert wird. Bei der CS wäre es wohl zu einer glatten Ablehnung gekommen, wenn die Geschäftsleitung nicht hastig vor der GV auf 40 Prozent ihrer angesichts des Milliardenverlusts obszönen Boni verzichtet hätte.
Die Minder-Mühlen mahlen zwar langsam – und für viele Kritiker der sozialautistischen Selbstbedienungskultur in einigen Konzernspitzen allzu langsam. Aber sie mahlen. Ohne Minders Abzocker-Initiative wäre es gar nicht zu solchen obligatorischen Abstimmungen über die Vergütungen der Chefetage unter dem Aktionariat gekommen. Zwar wird gelegentlich argumentiert, diese Vorschrift sei damals auch im Gegenvorschlag des Bundesrates enthalten gewesen. Das aber ist ein Scheinargument: sie wurde im Gegenvorschlag nur unter dem Druck der Minder-Initiative berücksichtigt.
Der durch die Abzocker-Abstimmung erzeugte Rechtfertigungsdruck für gesellschaftspolitisch destruktive Phantasie-Gagen für Manager ohne plausiblen Leistungsausweis und ohne eigenes Kapitalrisiko wird sich in den nächsten Jahren nicht verflüchtigen. Minder sei Dank. Wer in den Chefetagen das Ergebnis der Abzocker-Abstimmung verdrängt, wird eher früher als später mit noch schärferen Auflagen seitens des Gesetzgebers – und zu dem zählt in der direkten Demokratie auch die Volksmehrheit – konfrontiert werden.