Es schien ein Zeichen der Hoffnung, als der frisch gewählte US-Präsident Joe Biden Anfang des Jahres zu erkennen gab, dass zu den geplanten Aufräumarbeiten an der Hinterlassenschaft seines Vorgängers Trump auch der Versuch zähle, das Atomabkommen mit dem Iran wiederherzustellen, das dieser im Jahre 2018 durch den einseitigen Rückzug der USA an den Rand der Zerstörung getrieben hatte.
Aus Teheran waren positive Erklärungen zu hören: Man sei zu Verhandlungen mit den Amerikanern bereit, und wenn Washington der Aufhebung der von Trump erneut verhängten Sanktionen gegen den Iran zustimme, dann werde Teheran seinerseits zu den Verpflichtungen aus dem Abkommen zurückkehren, gegen die es seit der Trump-Aktion offiziell verstosse, um ein Druckmittel gegen Washington zu haben.
Nicht aber, weil der Iran vorhabe, Atomwaffen zu entwickeln – wie seine Gegner behaupten – in erster Linie die Anhänger Trumps und die des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu.
Verhalten optimistisch
Im Frühjahr war es soweit: In Wien traten Vertreter des Iran und der ehemaligen Unterhändlerstaaten des 2015 abgeschlossenen Abkommens zusammen. Nur die US-Delegation sass nicht mit am Verhandlungstisch, sondern war indirekt von ihrem Hotel aus mit eingebunden.
Die Verhandlungen liefen langsam an, mit immer längeren Pausen, die Signale aus Teheran waren aber verhalten optimistisch: Man wolle keine Erweiterung des Abkommens auf zusätzliche Themen (wie iranische Raketen oder iranisches Militärengagement in der Region – von Syrien bis zum Jemen), sondern man fordere eine Rückkehr zu dem 2015 Vereinbarten, vor allem: Die Aufhebung der Sanktionen, die dem Iran schwere Schäden zufügten, weil sie von Washington weltweit erzwungen werden. Und das auch noch zur Zeit der Corona Pandemie.
Vom Reform-Präsidenten zu einem Hardliner
Das langsame Vorgehen in Wien brachte dann ein Thema aufs Tableau, das Skeptiker schon früher vermerkt hatten: Im Juni standen im Iran Präsidentschaftswahlen an und weil der bisherige Präsident Rohani nach zwei Amtszeiten nicht erneut antreten durfte, verdichtete sich die Gewissheit, dass es zu einem drastischen Wechsel von dem eher Reform-Präsidenten zu einem Hardliner kommen würde.
Statt die Gelegenheit zu nutzen und in Wien Erfolge zu erreichen, verlangsamte sich der Prozess. Und das, obwohl der „Oberste Führer“, Ali Khamenei, und der von ihm unterstützte Präsidentschaftskandidat, Ebrahim Raisi, sich wiederholt für die Wiener Verhandlungen und Kontakte mit den USA äusserten. Recht ungewohnte Töne aus diesem Lager.
In Wien blieb es still
Es kam wie es kommen musste: Raisi wurde zum Nachfolger Rohanis gewählt und in Wien tat sich nichts mehr. Offizielle Stellen in Teheran versuchten zu verharmlosen: Man müsse nun erst abwarten, bis der Gewählte im August ins Amt eingeführt würde. Der Tag verging, in Wien blieb es still. Plötzlich aber kamen Gerüchte auf, die Verhandlungen würden wohl erst gegen Jahresende fortgesetzt. Und dann andere Gerüchte, man stehe kurz vor ihrer Wiederaufnahme.
Tatsache ist aber, dass es bisher keine Fortschritte gab. Stattdessen fordert Teheran nun plötzlich die Freigabe von in den USA eingefrorenen Bank-Guthaben in Höhe von rund 2 Mrd US-Dollar: Diese Summe wurde von Washington im Jahre 2016 blockiert – also ein Jahr nach dem Abschluss des ursprünglichen Atomabkommens. Mit der Begründung, man wolle des Geld als Entschädigung für Terroropfer verwenden. Der Iran hat dagegen vor einem UN-Gericht Klage eingereicht, bisher ist dort jedoch nichts geschehen.
Auf 20 Prozent angereichertes Uran
Gleichzeitig hat Teheran seine Atompolitik weiter intensiviert: Zunächst wollte es den Inspektoren der Wiener UN-Atombehörde IAEA den Zugang zu bisher von ihnen kontrollierten Atom-Einrichtungen untersagen, dann zog man diesen Beschluss beim Besuch des IAEA-Chefs im Iran zurück, um ihn nach dessen Abreise wenigstens teilweise wieder zu verhängen. Und nun erklärt der Leiter der iranischen Atomenergiebehörde, Mohammed Eslami, in Teheran offiziell, das Land habe bereits 120 Kilogramm Uran auf 20% angereichert – etwa doppelt so viel wie noch im Mai. Im April hatte es mit der Anreicherung auf 60% begonnen, für Atombomben sind 90% erforderlich.
Während Washington und Teheran sich gewollt oder ungewollt langsam mit solchen Dingen hochschaukeln, statt die Wiener Verhandlungen wiederaufzunehmen, wird in Jerusalem die israelische Regierung immer aktiver: Bei Kontakten auf Regierungs- und Sicherheitsebene mit Washington haben Vertreter der Regierung Naftali Bennetts darauf gedrängt, Washington sollte sich auf ein militärisches Eingreifen einstellen, wenn der Iran seinen gegenwärtigen Kurs weiter verfolge.
Und militärische Kreise in Israel gehen noch einen Schritt weiter: Unverhohlen haben sie bereits wiederholt mit der Möglichkeit eines militärischen Alleingangs Israels gegen den Iran gedroht – wobei sie allerdings immer mit der Rückendeckung durch Washington rechneten. Angesichts des bisher offen bekundeten Unwillens der USA, sich erneut in der Region kriegerisch zu engagieren, könnte dies eine folgenschwere Fehlkalkulation sein. Und politisch scheint sie Beweis dafür zu sein, dass sich in Jerusalem durch den Wechsel von Netanjahu zu Bennett kaum etwas geändert hat.