Der Startschuss zur wohl wichtigsten Gesetzesdebatte der letzten Jahre ist gefallen. Es geht darum, ob das Parlament dem «Ermächtigungsgesetz», auch bekannt als US-Steuerdeal, zustimmen wird oder nicht. Die ersten Signale der versammelten National- und Ständeräte sind nicht unbedingt ermutigend.
Jeder gegen jeden
Die SVP will das «Ermächtigungsgesetz» ablehnen. Die SP will es auch ablehnen. Aber jeweils aus anderen Gründen und nicht, um einander zu helfen, sondern um politische Vorteile für die eigene Partei zu erringen. Die CVP hält sich wie immer alle Optionen offen und wird am Schluss in die ihr vorteilhaft erscheinende Richtung fallen. Die FDP weiss nicht, was sie will, das aber mit aller Kraft. Die Grünen geben ein aschgraues Trauerspiel zum Besten und neigen absurderweise dazu, der Kapitulationsurkunde des Rechtsstaats Schweiz zuzustimmen. Nur die BDP ist gelassen, ihr ehemaliger Parteipräsident sagt mit verräterischer Wortwahl: «Am Ende wird das Parlament dem Deal zustimmen.» Deal nennt der Mann ein eidgenössisches Bundesgesetz. Das hätte der aktuelle BDP-Präsident, der von der UBS unterhaltene Nationalrat Martin Landolt, nicht besser formulieren können.
Jeder für sich
Die SP ist gespalten, weil einige ihrer Genossen sich die fetten Pfründe der Position eines Bankrats geangelt haben. Das ist eine Sinekure bei Kantonalbanken, die nach Parteienproporz gemischelt wird. Der Präsident des Bankrats der ZKB verdient satte 356’650 Franken, immerhin im Jahr. Die beiden Vizepräsidenten je 325’000 Franken, darunter der SP-Mann János Blum. Einfache Mitglieder wie der Grüne Thomas Heilmann, Gründer des Rotpunkt-Verlags und ehemaliger Präsident der Alternativen Bank, oder das SP-Mitglied Liliane Waldner erhalten für ihre sogenannte Aufsichtsfunktion eine feste Jahresentschädigung von je 18’000 Franken. Plus 6’000 Franken Spesenpauschale. Plus 6’000 Franken pro Ausschussmitgliedschaft. Plus Sitzungsgeld zu einem Tagesansatz von 700 Franken. Für einen kleinen Nebenjob.
Bei der Basler Kantonalbank ist es ähnlich. Nun haben die Genossen Schiss, dass sich ihre Mitgenossin Susanne Leutenegger Oberholzer mit ihrer Forderung durchsetzen könnte, dass die im Feuer der USA stehenden Banken doch die geforderten Daten selber ausliefern sollen. Und die Verantwortlichen dafür Strafen in der Schweiz auf sich nehmen. So haben sich die Bankratsgenossen aber das Wahrnehmen von Verantwortung nicht vorgestellt. Die Basler SP-Finanzdirektorin Eva Herzog spricht sich deswegen offen für das «Ermächtigungsgesetz» aus. Die anderen Parteien bieten vergleichbare Trauerspiele, natürlich stellen sie auch Bankräte.
Klare Worte
Wenigstens Josef «Victory-Zeichen» Ackermann, ehemaliger Boss der Deutschen Bank und Verwaltungsratspräsident des Zurich-Versicherungskonzerns, spricht Klartext, die Schweiz müsse den US-Forderungen zustimmen: «Es ist wahrscheinlich die letzte Gelegenheit, eine höchst umstrittene Frage in Übereinstimmung mit Schweizer Gesetzen zu lösen.» Dass dafür zuerst im Eilverfahren ein neues Gesetz abgenickt werden muss, sagt er allerdings nicht. Natürlich ist die Credit Suisse für dieses Gesetz, die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) sowieso, obwohl die ebenfalls für die «Abgeltungssteuer», die «Weissgeldstrategie» und die «Globallösung» ist. Oder war. Oder wie auch immer. Die SBVg ist für alles, ausser, dass Schweizer Banken Verantwortung übernehmen.
Nebelwerfer und Verwirrung
Da tritt im Schweizer Fernsehen ein Anwalt im Sold der im Feuer stehenden Schweizer Banken der 12er-Liste auf und verkündet, dass es für die geforderten Datenlieferungen eigentlich kein neues Gesetz brauche. Gleichzeitig sagt er, dass dieses Gesetz die «optimale Lösung» sei. Dann sagt er, dass eine US-Klage gegen eine Bank überhaupt nicht deren Todesurteil sein müsse, schränkt das aber anschliessend mit genügend juristischen Wenn und Aber wieder ein. Dann fügt er noch hinzu, dass seine Gesprächspartner im US-Justizministerium alles besonnene, ruhige und umgängliche Menschen seien. Das nennt man eine Nebelpetarde zünden und Verwirrung stiften. Für wie dumm hält der Mann eigentlich das Publikum? Parallel dazu gibt der Schweizer Finanzplatz ein Heidengeld aus, damit Lobbyisten, Mietmäuler, Spenden- und Spesenritter die Parlamentarier bearbeiten, massieren, einseifen, glattföhnen, zutexten, verwirren.
Droht bei einem Nein nun der Ruin des Schweizer Finanzplatzes oder nicht? Sind die Amis erpresserische Imperialisten mit dem «Big Stick» oder nette, umgängliche Bewahrer von Recht und Ordnung? Ist es nun ein rechtsstaatsgefährdendes «Ermächtigungsgesetz» oder wird hier einfach ein harmloser «Rechtsrahmen» aufgespannt, damit sich alles in Minne auflöst? Werden bei einer Annahme alle Staaten der Welt ihre Forderungen anmelden oder beeindruckt von so viel Schweizer Einsicht Milde walten lassen? Gibt es keine Alternative oder wäre die Übernahme des Dollar-Clearing durch die Schweizerische Nationalbank der Königsweg zur Bewahrung des Rechtsstaats? Werden Tausende von Bankangestellten, Zulieferer wie Anwälte und Treuhänder der US-Justiz ans Messer geliefert oder werden sie von Staat und Arbeitgeber geschützt? Bleibt der Datenschutz gewahrt?
Lasst Euch nicht verwirren
Die Nebelwerfer und Einflüsterer, leider unterstützt von parteitaktischen Schlaumeiern und schlicht ans Eigeninteresse denkenden Parlamentariern, stellen eine Kakophonie her, die bewirken soll: Da kommt doch keiner draus, also gut, bevor ich etwas falsch mache, stimme ich halt Ja. Genau das wäre aber der Fehler.