Schwarzenbach ist Autor des Buches „WWF – die Biografie“. Er hat im vergangenen Jahr die grosse WWF-Ausstellung im Zürcher Landesmuseum organisiert und gehört zu den besten Kennern der Umweltorganisation.
Eine Reise durch das grüne Empire des WWF sei erschütternd, schreibt der deutsche Autor Winfried Huismann in seinem „Schwarzbuch“ über den WWF. Er paktiere mit Energiekonzernen und beteilige sich an der Vertreibung von Eingeborenen.
Diese Kritik teilt Alexis Schwarzenbach nicht. Für sein 350 Seiten dickes Buch und seine Ausstellung in Zürich hat er zwei Jahre lang intensiv die Eingeweide der Umweltorganisation untersucht. Journal 21 sprach mit ihm.
Journal 21: "Es ist leichter, in die Geheimnisse der CIA einzudringen, als in die des WWF." Dieses Zitat von Raymond Bonner, New York Times, steht zuoberst auf Huismanns Website. Teilen Sie diese Einschätzung, und wie waren ihre eigenen Erfahrungen?
Alexis Schwarzenbach: Das Zitat stammt aus den frühen 1990er Jahren. Meine Erfahrungen mit dem WWF 20 Jahre später waren ganz andere. Ich bekam ungehinderten Zugang zu den Archiven der Organisation, und diese hat auch nie versucht, meine Interpretation der WWF-Geschichte zu beeinflussen.
Sie sind tief in die Archive gestiegen und haben mit „WWF – Die Biografie“ das erste historische Werk über die Umweltorganisation geschrieben. Und jetzt reden alle nur vom „Schwarzbuch WWF“. Ärgert Sie das?
Mich erstaunt, wie kurz das Gedächtnis selbst von Qualitätsmedien ist. Die NZZ hat 2011 mein Buch und die Ausstellung unter anderem deswegen gelobt, weil wir auch die dunklen Seiten der WWF-Geschichte dargestellt und analysiert haben, darunter auch die zum Teil problematischen Beziehungen zu Sponsoren aus der Wirtschaft. Ein Jahr später erscheint in derselben Zeitung ein Artikel, dessen Autor offenbar weder meine Ausstellung, noch mein Buch wahrgenommen hat und die Thesen, die das "Schwarzbuch" vertritt, unkritisch übernimmt. Die Massnahmen, mit denen der WWF dem Problem des „greenwashing“ und der Gefahr einer Abhängigkeit von Sponsoren seit Längerem mit Bestimmtheit begegnet und die mein Buch ebenfalls dokumentiert, werden mit keinem Wort erwähnt. Das ärgert mich.
In Deutschland will der WWF Aussagen aus Huismanns Buch und Film verbieten, was ihm in der Presse Zensur-Vorwürfe eingetragen hat. Zu Recht?
Das kann ich nicht beurteilen.
Mensch und Natur geraten immer wieder in Konflikt. Dem WWF wird vorgeworfen, die Interessen der Natur auch auf Kosten z.B. von indigenen Völkern zu vertreten. Etwa, indem er Umsiedlungsaktionen forciert, um Naturschutzgebiete zu errichten. Haben Sie in ihren Recherchen Belege dafür gefunden?
Nein, im Gegenteil. Seit über 20 Jahren ist sich der WWF bewusst, dass Konflikte zwischen indigenen Bevölkerungen und dem Anliegen des Umweltschutzes zu den zentralsten, aber auch schwierigsten Problemen gehören, die eine Umwelt-NGO zu lösen hat. Bereits 1979 war der WWF massgeblich an der Schaffung des Pilanesberg Nationalparks in Südafrika beteiligt, einem der ersten Nationalparkprojekte, bei dem der Einbezug der lokalen Bevölkerung von Anfang an geplant war und relativ erfolgreich durchgeführt wurde. Wie sehr selbst Laien im WWF diese Problematik verinnerlicht haben, zeigt ein Zitat von Prinz Philip, dem langjährigen Präsidenten des WWF International. 1991 schrieb er wegen eines schwierigen WWF-Projekts auf den Britischen Inseln dem Generaldirektor des WWF: "Wie wir in Afrika festgestellt haben, funktionieren Umweltschutzmassnahmen nur dann, wenn die Einheimischen sie unterstützen. Das gilt auch für Schottland!"
Huismann vertritt im „Schwarzbuch WWF“ eine Art Weltbild der "edlen Wilden", die Jahrtausende im Einklang mit der Natur lebten, ohne sie zu zerstören. Er schreibt: "Kein Naturvolk der Erde käme auf die Idee, die Wildnis mutwillig zu zerstören. Ihr 'Naturschutz' gründet in der Einheit von Mensch und Natur." (s.86). Ist das ein plausibler Ansatz?
Nein, das ist es meiner Ansicht nach nicht, sondern es ist, wie Sie suggerieren, eine Art umgekehrter Orientalismus, der den Fremden als edlen Wilden verklärt. Das Problem ist aber ein ganz anderes: Angesichts der rasanten Bevölkerungsentwicklung kommt man mit einem solchen Ansatz nicht weit. Man muss eine Lösung mit allen Beteiligten finden, vor Ort, und dabei auch die sich verändernden Rahmenbedingungen mitberücksichtigen.
Kürzlich hat sich der spanische König Juan Carlos bei der Elefantenjagd in Afrika verletzt, gleichzeitig ist er Ehrenpräsident des WWF Spanien. Wie kommt es, dass eine nationale WWF-Organisation einen Grosswildjäger als Ehrenpräsidenten hat?
Viele WWF-Gründer waren selber Jäger, manche haben auch Elefanten gejagt. Allerdings sind sich mit Ausnahme von Juan Carlos alle anderen schon vor Jahrzehnten bewusst geworden, dass sich Grosswildjagd mit dem Image des WWF nicht vereinbaren lässt und haben mit der Jagd aufgehört.
Am heftigsten werfen Kritiker dem WWF vor, er sei zu stark mit der Wirtschaft verbandelt und verkaufe seine Interessen, egal ob es um Fischzucht, Palmöl- oder Sojaplantagen geht. Kaum jemand kennt die Organisation so gut wie Sie. Was dominiert Ihren Eindruck des WWF: kritische Distanz oder Verbandelung?
Weder noch. Der WWF wurde 1961 von Businessmännern gegründet und die Organisation hat von Anfang an den Kontakt mit der Wirtschaft gesucht. Das Problem einer möglichen Abhängigkeit von Sponsoren wurde bald erkannt und inzwischen werden Sponsoringverträge so ausgehandelt, dass der WWF sich immer auch das Recht vorbehält, den Sponsor zu kritisieren. Und man hält fest: We agree to disagree.
Letztes Jahr ist der WWF 50 Jahre alt geworden, was die Medien sehr wohlwollend thematisiert hatten. Jetzt gibt es viel Kritik. Warum dieser plötzliche Wechsel?
Es gab auch letztes Jahr Kritik, z.B. einen grossen, negativen Artikel in Österreich - aufgrund meines Buches. Einen plötzlichen Wechsel sehe ich nicht.
Der WWF ist eine weltumspannende Organisation. Wie eigenständig sind die einzelnen Organisationen? Wie straff die Führung? Wie einheitlich die Positionen?
Der WWF ist föderal aufgebaut. Ähnlich wie in der Schweiz die Kantone sind die Ländersektionen sehr stark und autonom, das Zentrum ist relativ schwach. Was sie alle verbindet, ist ein starker Brand, das Logo. Die Positionen sind nicht einheitlich.
Der WWF gilt als pragmatische, kompromissbereite Organisation, im Gegensatz etwa zu Greenpeace. Sollte der WWF mehr auf die Barrikaden gehen?
Nein, ich denke, dass sie im Zusammenspiel mit Politik und Wirtschaft den Part des good cop ebenso gut spielen wie Greenpeace den des bad cop.
Alexis Schwarzenbach, 1971 in Zürich geboren, studierte Geschichte am Balliol College in Oxford. Er promovierte am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz. Zu seinen zahlreichen Veröffentlichungen gehören „Die Geborene“ über Renée Schwarzenbach-Wille sowie „Das verschmähte Genie“ über Albert Einstein und die Schweiz. Ferner veröffentlichte er „Auf der Schwelle des Fremden“ über seine Grosstante Annemarie Schwarzenbach.
ALEXIS SCHWARZENBACH
WWF – DIE BIOGRAFIE
Verlag: Collection Rolf Heyne
352 Seiten, 260 Abbildungen
Paperback mit Klappen
Hochwertiger, vierfarbiger Kunstdruck
ISBN-13: 9783899104912
€(D) 29,90 / €(A) 30,80 / sFr 43,50
Internet: www.collection-rolf-heyne.de
April 2011