Nur Schauspielerinnen und Schauspieler zeigten sich über Ernst Lubitsch missgestimmt. Er sei herrschsüchtig, benutze sie als Material und verweigere ihnen das Privileg der Grossaufnahmen. Lobend bis begeistert äusserten sich die Produzenten, Kritiker und das Publikum. Denn Lubitsch gelang die Quadratur des Kreises, nämlich intellektuell anspruchsvoll, geistreich witzig und kassenfüllend Regie zu führen. Und erst noch schaffte er den Doppelwechsel vom Stummfilm zum Tonfilm und von Deutschland nach Hollywood brillant. Er wurde zu einem Klassiker der Siebenten Kunst und blieb bis heute als Ausnahmeerscheinung in der Erinnerung mit Werken wie „Trouble in Paradise“, „Ninotchka“, „The Shop Around the Corner“, „To Be or Not to Be“.
Autoritär und eine Autorität
Ernst Lubitsch, am 29. Januar 1892 als Sohn einer Modedesignerin und eines Damenschneiders in Berlin geboren, lernte Schauspiel bei Max Reinhardt, trat als Hauptdarsteller in Stummfilmkomödien auf, wechselte 1914 ins Regiefach, realisierte Historienfilme, Kammerspiele und Komödien und übersiedelte 1922 nach Hollywood, wo er zehn stumme und sechzehn vertonte Filme realisierte, vorab Komödien. Er starb in der amerikanischen Studiometropole nach dem zweiten Herzinfarkt am 30. November 1947.
Wer Rang und Namen besass, arbeitete mit Lubitsch zusammen, auch wenn er – oder vielleicht weil er – als autoritärer und kompromissloser Regisseur galt: Marlene Dietrich, Greta Garbo, Pola Negri, Asta Nielsen, Mary Pickford, Henny Porten, Maurice Chevalier, Gary Cooper, Clark Gable, Emil Jannings.
Wichtige und darum ebenfalls mit Sorgfalt ausgewählte Partner waren Lubitsch die Filmarchitekten, Dekorateure und Couturiers. Die Ausstattung bis hin zur Opulenz und zu rauschend eleganten Kostümen gehörten zum unverwechselbaren Stil.
Er erhielt den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk und je einen Stern auf dem Walk of Fame in Hollywood und dem Boulevard der Stars in Berlin. Billy Wilder regte den Ernst-Lubitsch-Preis an, der seit 1958 jährlich für die beste komödiantische Leistung verliehen wird.
Der Lubitsch-Touch
Das inszenatorische Geheimnis von Lubitsch war der nach ihm benannte „Touch“, der die übliche Erzählweise der Vollständigkeit und des Ausspielens jeder Aussage durch die Dramaturgie der Andeutung ersetzte. Das war der erste Erfolgsgrund.
Mit der hohen Kunst der Anspielung und des ausdruckstarken Verschweigens ging Lubitsch eine vergnügliche Komplizenschaft mit den Zuschauern ein. Zugleich schlug er sowohl der Prüderie der amerikanischen Zensur ein Schnippchen als auch argwöhnenden politischen Kreisen.
Künstlerisch und kommerziell vom Erfolg gekrönt wurde Lubitsch zweitens wegen seiner präzisen und bis ins Detail durchdachten Arbeit. Sie schloss den Zufall aus. Drittens vertrat er im Sinne des Gesamtkunstwerks eisern die Überzeugung, die seelische Ausdruckskraft bedürfe der äusseren Spiegelung in den Kostümen und im Dekor. Ernst Lubitsch erneuerte den Film und bereicherte die Filmgeschichte.