Immer mehr Menschen hetzen öffentlich und unter dem Deckmantel der Redefreiheit gegen Staat und Demokratie. Kritik hingegen vertragen sie nicht.
Journal21.ch will die Jungen vermehrt zu Wort kommen lassen. In der Rubrik „Jugend schreibt“ nehmen Schülerinnen und Schüler des Zürcher Realgymnasiums Rämibühl regelmässig Stellung zu aktuellen Themen.
Cyrill Dankwardt ist 16 Jahre alt und lebt in Zürich. Er besucht die vierte Klasse des Realgymnasiums Rämibühl und interessiert sich unter anderem für Geschichte und Politik.
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«Das linksgrün versiffte Politiker-Pack frönt im abgehobenen Bundesbern seinem überdurchschnittlichen Salär. Das Schicksal des zum Pöbel degradierten Schweizer Volkes ist ihnen nicht der Rede wert. Unterstützt werden sie durch die Moralapostel des sogenannten ’Qualitätsjournalismus’‘ und von den manipulativen Lehrern unserer Kinder!»
So brodeln die Wutbürger in wilder Ektase vor sich her. «Das wird man wohl noch sagen dürfen!» Kritik mit dem Vorschlaghammer, die mittlerweile salonfähig geworden ist. Dank Parteien, die sich diese Manieren zu eigen machen.
Kennzeichen dieses inhaltslosen Um-sich-Schiessens: Eindreschen auf den Staat bei gleichzeitig geheuchelter Liebeserklärung, insbesondere an das Recht auf freie Meinungsäusserung. Draufhauen heisst das Motto; nicht Verbessern, wie es bei sachlicher Kritik zu erwarten wäre. Natürlich, die Demokratie lebt von der Kritik, sie verändert sich durch die Kritik und sie baut auf Kritik. Sachlicher Kritik, selbstverständlich. Hetz-Tiraden mit dem Suffix «Das wird man wohl noch sagen dürfen» gehören ganz klar nicht dazu. Die Verfassung nach ihrem Gusto mit dem Presslufthammer zu traktieren, sie in die eigene Form zu pressen. Man nimmt sich die Freiheit, die anderen zu beschimpfen. Zu beleidigen. Aufgrund ihrer Herkunft herabzuwürdigen und übelst zu diffamieren. Und dabei pochen sie auf ihr Recht auf Redefreiheit, wann immer es ihnen gerade ins Konzept passt. Die Freiheit anderer aber treten sie mit Füssen.
Hochstilisierung des eigenen «Martyriums», Selbstbeweihräucherung bis zur Obergrenze. Die «Wutbürger» und ihre Parteien allein wähnen sich im Recht. Immerhin sind sie «das Volk». Schuld an allem Übel sind natürlich die Elite, das Establishment und «die in Bern da oben». Übersetzt bedeutet das: Alle Politiker, die nicht zu hundert Prozent die Meinung der Populisten decken. Und die zu ihrem grossen Bedauern die Mehrheit in den Parlamenten halten. Wieso? Weil der grösste Teil der Bevölkerung offensichtlich eine andere Sichtweise besitzt. Fassen wir zusammen: Eine kleine Minderheit sieht sich als Mehrheit und wähnt sich im Recht.
Nein, so etwas wie Meinungsvielfalt existiert im homogenen Wunschstaat der «mehr Demokratie» brüllenden Rechtspopulisten nicht. Aber ist das denn noch Demokratie? Die Volksherrschaft, die Herrschaft verschiedener Meinungen? Wenn es nur eine Meinung gibt, wieso sollte man sich noch die Mühe machen, abzustimmen oder gar Wahlen abzuhalten? Es wäre doch viel bequemer, einen Vertreter zu bestimmen, der im Namen des «Volkes» und der einzigen Meinung die Staatsgeschäfte führt. So klein ist der Schritt von Demokratie zur Diktatur.
Demokratie heisst Abwägen. Das Abwägen verschiedener Meinungen. Den Kompromiss finden, der den meisten passt. Und um einen Kompromiss zu finden, braucht es die Einsicht, dass es auch andere Meinungen gibt. Nur so lässt sich ein Gerüst erstellen, das unser Miteinander regelt, unsere Gesellschaft zusammenhält.
Populisten aller Länder, ihr seid nicht die einzigen auf diesem Planeten! Es gibt auch Menschen anderer Religionen, Hautfarben und Kulturen, ja sogar anderer Meinung. Das wird man wohl noch sagen dürfen.
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Verantwortlich für die Betreuung der jungen Journalistinnen und Journalisten von „Jugend schreibt“ ist der Deutsch- und Englischlehrer Remo Federer ([email protected]).
Weitere Informationen zum Zürcher Realgymnasium Rämibühl unter www.rgzh.ch