Zunächst, endlich, die gute Nachricht: Griechenland beabsichtig, an die Kapitalmärkte zurückzukehren. Also Geld von privaten und institutionellen Anlegern aufzunehmen. Da lachen die Götter im Olymp, endlich geht es mit Hellas wieder aufwärts. Ist aber nur eine Geschichte wie von Homer erfunden.
Die Desaster-Zahlen
Wie der "Spiegel" gnadenlos auflistet, geht es Griechenland nicht nur schlecht, sondern immer schlechter. Das BIP, also die Wirtschaftsleistung, ist von rund 230 Milliarden Euro im Jahr 2009 auf 180 Milliarden im Jahr 2013 geschrumpft, ohne Aussicht auf Besserung. Die Arbeitslosigkeit ist und bleibt turmhoch, 27 Prozent, über 60 Prozent arbeitslose Jugendliche.
Die Staatsverschuldung ist in den letzten fünf Jahren von angeblich 112,9 Prozent auf 177,3 Prozent im Jahr 2013 hochgeschossen, das Haushaltsdefizit betrug 2013 minus 13,1 Prozent. Aber angeblich soll es 2013 einen Primärüberschuss gegeben haben, also mehr Staatseinnahmen als -ausgaben, wenn man Schuldzinsen und Tilgung nicht berücksichtigt. Das könnte aber auch ein weiterer Beweis für kreative griechische Buchhaltung sein. Denn in den ersten zwei Quartalen 2013 läpperte sich ein Defizit von 17,6 Milliarden Euro zusammen. Da müsste es im dritten und vierten Quartal bombastisch gelaufen sein, um das noch zu drehen. Das könnte man hinkriegen, wenn man einfach fällige Zahlungen auf 2014 verschiebt, alter Trick. Und die Griechen haben sich bekanntlich schon mit geschummelten Zahlen in den Euro getrickst.
Nichts ist unmöglich
Dennoch ist es denkbar, dass sich Geldgeber finden, wenn der griechische Pleitestaat eine neue Anleihe auflegt. Vor dem milliardenschweren Hilfspaket der EU 2012 war die Rendite auf unbezahlbare 40 Prozent hochgeschossen, aktuell liegt sie bei rund 6,5 Prozent. Wie ist dieses olympische Wunder möglich?
Ganz einfach: Indem die EU unter Bruch sämtlicher heiligen Versprechen («no bail-out») griechische Staatspapiere mit Milliardenrettungspaketen stützte, versah sie sie mit einer impliziten europäischen Staatsgarantie. Vor allem Zahlmeister Deutschland, aber auch Länder wie Spanien, Italien und Frankreich, die mit genug eigenen Problemen zu kämpfen haben, stehen für griechische Staatsschulden gerade. Da bedeutet, dass ein potenzieller Investor für faktisch null Zinsen eine deutsche Staatsanleihe kaufen könnte – oder für 6,5 Prozent eine von Deutschland mitgarantierte griechische. Muss man nicht zweimal drüber nachdenken, oder?
Aufhebung der Schwerkraft
Damit wurde aber ein fundamentales Gesetz des Schuldenmachens ausgehebelt. Das besagt, dass ein Geldgeber eine adäquate Risikoprämie namens Zins bekommt. Umso grösser die Gefahr, das geliehene Geld nicht zurückzukriegen, umso höher der Zins. Umso sicherer die Anlage, umso niedriger. Trivial, zentral, sozusagen das Gravitationsgesetz des Kapitalismus.
Wird das allerdings aufgehoben, indem Notenbanken Geld gratis machen und zudem sogar Staatsschuldpapiere zum Nennwert als Sicherheiten akzeptieren, ist die Schwerkraft aufgehoben, alles schwebt in der Luft. Ein wunderbarer Zustand der Leichtigkeit des Seins. Bis die Schwerkraft wieder eingeschaltet wird – und alles zusammenkracht. Aber wer will beim Schweben schon an die Landung denken. Die ist doch unvorhersehbar, und sollen wir uns davon die gute Laune verderben lassen?
Das Mentekel
Gehört nicht zur griechischen Mythologie, aber dennoch steht ein Menetekel an der Wand. Denn noch vor Zypern wurden private Gläubiger Griechenlands schon mal rasiert. Man erinnert sich daran, dass sie 2012 dazu gezwungen wurden, «freiwillig» rund 100 Milliarden Euro ans Bein zu streichen. Während die Guthaben der Europäischen Zentralbank davon unberührt blieben. Im normalen Geschäftsleben mehrfach hochkriminell, aber was kümmert das Staaten.
Nun schworen damals alle EU-Regierenden heilige Eide, zuvorderst die deutsche Bundeskanzlerin Merkel, dass es sich selbstverständlich um eine «einmalige» Aktion gehandelt habe, nie, aber nie wieder werde das geschehen, ganz grosses Ehrenwort.
Nachdem bereits sämtliche Versprechungen im Rahmen der Maastricht-Kriterien über Bord geworfen worden waren. Und bevor kurz danach das Gleiche mit Zypern nochmals durchexerziert wurde. Aber dennoch, Glaube macht selig, wird nie mehr geschehen.
Wer zahlt?
Es könnte nun, die Zukunft ist unvorhersehbar, unter Umständen so sein, dass nicht nochmal private Gläubiger bei Griechenland an die Kasse kommen. Aber wenn sich die Schwerkraft in Schuldendingen nicht auf ewig ausschalten lässt, dann muss doch am Schluss einer zahlen, wenn Griechenland, und nichts spricht dagegen, weiterhin nicht in der Lage ist, Schulden zu bedienen oder gar zurückzuzahlen. Wer bleibt? Richtig, der Steuerzahler, wer denn sonst.
Wer also etwas nach dem Prinzip «no risk, no fun» investiert, kann wohlgemut neue griechische Schuldpapiere zeichnen. Und darauf hoffen, dass er nicht nochmal rasiert wird und im Fall der Fälle der Eurosteuerzahler an die Kasse kommt.
Ausser, und darin besteht wohl die Hoffnung der aktuell Regierenden, die Schwerkraft fordert erst längst nach ihrem Abtritt Tribut. Und überhaupt: Passiert das, hat die Eurozone ganz andere Probleme als die Tatsache, dass Griechenland pleite war, ist und sein wird.