Zunächst muss das Umfeld erklärt werden. Seit mehr als 50 Jahren bestrafen die USA die letzte Insel des real existierenden Sozialismus mit einem Handelsembargo. Jeder Warenverkehr mit Kuba, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist verboten. Jedes Flugzeug, jedes Schiff, das die karibische Insel berührt, darf 18 Monate lang keinen US-Hafen benützen. Und natürlich ist jeder Geldverkehr in Dollar mit Kuba verboten. Dass dieses idiotische Embargo als Entschuldigung für alle hausgemachten Unzulänglichkeiten das kubanische Regime stabilisiert, ist nur die eine Seite des Wahnsinns.
Die gewünschte Wirkung
Nach US-Lesart soll das Embargo dafür sorgen, dass Kuba sich endlich von der Herrschaft der Castro-Brüder befreit, demokratische Wahlen durchführt (an denen die Castro-Brüder, sicher ist sicher, aber nicht teilnehmen dürften) und natürlich die Menschenrechte respektiert. Allerdings finden die gröbsten Verstösse gegen Menschenrechte auf der usurpierten US-Militärbasis Guantánamo im Süden der Insel statt, wo in einem rechtsfreien Raum des Terrorismus Verdächtigte oft jahrelang gefangen gehalten und gequält werden. Aber das ist nur ein besonders unappetitlicher Aspekt des Wahnsinns.
Die Schweizer Banken Nun ist es jedem Nicht-US-Bürger eigentlich gestattet, in Franken, Euro, Yen oder jeder beliebigen Währung der Welt, ausser US-Dollar, Geldverkehr mit Kuba zu unterhalten. Kubanische Geldhäuser kennen keine Bankenkrise und erledigen Transfers effizient und tadellos. Allerdings braucht man natürlich die Hilfe einer Schweizer Bank, um eine Überweisung auf den Weg zu bringen.
Eine grosse Anzahl unserer stolzen Finanzinstitute weigert sich aber inzwischen, solche Geschäfte auszuführen. Aus Angst vor dem langen Arm der Amis. Selbst eine Überweisung eines Schweizers in Schweizerfranken auf das Schweizer Konto einer Schweizer Firma werden nicht ausgeführt, wenn im Zahlungsbetreff das Wort «Kuba» auftaucht. Aber das ist nur Ausdruck besonderer Feigheit gegenüber diesem Wahnsinn.
Und die US-Firmen
Da gibt es den Dienstleister MoneyGram. Eine bequeme Art, beispielsweise von einem Schweizer Kiosk aus schnell Bargeld an jeden beliebigen Ort der Welt zu überweisen. An jede Person der Welt. Ausser, es handelt sich um einen Kubaner. Diese konkrete Ausformung des allgemeinen Wahnsinns wollen wir kurz schildern.
Kein kubanischer Pass
Ich benützte MoneyGram, um meiner Frau, die gerade in Madrid weilt, einen kleineren Geldbetrag in Euro zu überweisen. Die nette Gebühr von 35 Franken garantiert eigentlich, dass sie das Geld nach zehn Minuten bei einer Geschäftsstelle von MoneyGram in Madrid abholen könnte. Aber als sie sich dort mit einem kubanischen Pass identifiziert, wird die Auszahlung verweigert. Auch ihr Schweizer Dokument, Niederlassung C, nützt ihr nichts.
Ich nehme den Telefonhörer in die Hand und lande nach der üblichen Warteschleife in einem US-Callcenter. Denn MoneyGram ist eine US-Firma. Dass man dort natürlich nur Englisch spricht, ist kein Problem für mich und auch nur der sprachliche Ausdruck des Wahnsinns.
«Einhaltung von Bestimmungen»
Selbst der herbeizitierte Supervisor, der zudem ein bedenklich schlechtes Englisch spricht, kann mir nicht erklären, wieso eine Euroüberweisung innerhalb Europas am US-Handelsembargo gegen Kuba scheitern sollte. Er kann mir auch nicht erklären, wieso ein kubanischer Pass, der mit Visum versehen immerhin Gültigkeit für eine Einreise in das «Land of the Free» hat, als Identifikation für den Empfang von Bargeld nicht gültig sein soll. Wohlgemerkt keine Dollar, sondern Euro. «Bestimmungen, Geschäftspolitik, Bedauern.» Manchmal verkleidet sich Wahnsinn als Willkür.
Das Kleine und das Grosse
Nun könnte man natürlich einwenden, dass es sich hier, was die Geschäftspolitik von Schweizer Banken und von MoneyGram betrifft, um unerhebliche Nebensächlichkeiten handle, aus denen man keinen Elefanten machen sollte. Das wäre aber ganz falsch. Denn der Anspruch der USA, Führungs- und Weltmacht zu sein, ist nur dann allenfalls legitim, wenn sie ihn mit der Einhaltung von rechtsstaatlichen Spielregeln untermauern. Tun das die USA nicht, herrschen sie mit Willkür, imperialistisch und regellos.
Denn das Unrecht, das einem Einzelnen widerfährt, ist eine Bedrohung für alle. Wer ohne Regeln spielen darf, begeht Fouls. Können die nicht geahndet werden, weil der Regelverletzer die kräftigsten Muskeln auf dem Spielfeld hat, dann sind wir in die Zeiten des Faustrechts, des Rechts des Stärkeren zurückgefallen. Dann kann ein Regelverstoss jeden treffen. Das sollte jeden beunruhigen. Auch all die, die mit Kuba nichts zu tun haben. Denn dieser Wahnsinn kann überall lauern.