Journalisten, die solche als geheim deklarierten Informationen veröffentlichten, hatten eben gegen das Gesetz verstossen, das solche Geheimnisse schützen wollte. Hinter der Strafdrohung stand die Überlegung, dass die Handlungsautonomie einer beauftragten Behörde vor allem während der Vorbereitung eines Entscheids vor öffentlichem Lärm zu schützen sei.
Bundesrat schon lange für Aufhebung
Der Bundesrat hatte vor 20 Jahren die Aufhebung dieses „altmodischen Artikels“ befürwortet. Das Parlament folgte ihm nicht, empört über ein Leck in der „SonntagsZeitung“, die ein vertrauliches Schreiben des Schweizer Botschafters in Washington an den Bundesrat veröffentlichte und sehr abfällig kommentierte.
Inzwischen empfiehlt der Bundesrat jetzt noch eine weitere Lockerung. Besonders störend am bisherigen Zustand war die Tatsache, dass die meisten „Lecks“ in Räten und Verwaltung auf einen Dritten zurückgingen – den „Einflüsterer“, der aber wegen zugesicherter Vertraulichkeit durch den Journalisten nicht vor Gericht erscheinen musste. Immerhin konnte (durfte) der Richter von Strafe absehen, wenn das Geheimnis „von geringer Bedeutung war“.
Neu: Richterliche Güterabwägung
Jetzt haben beide Räte einer weiteren Lockerung zugestimmt (die Schlussabstimmung am Ende der Session steht noch aus), indem sie die im Schweizer Strafrecht vertraute Güterabwägung einführten. Wenn zwei geschützte Verfassungsrechte im Einzelfall kollidieren (Meinungsfreiheit der Medien und Schutz der Privatsphäre), wägt der Richter die beiden gegeneinander ab.
Richter oder Richterin entscheidet dann, welcher Verfassungsgrundsatz im genauen Vergleich Vorrang verdient. Das ist „gerechter“ als Straflosigkeit wegen undefinierter „geringer Bedeutung“ eines Geheimnisses. Die neue Formel bezieht eben auch die Schutzwürdigkeit gewisser Geheimnisse, die in der Vorbereitung von Erlassen mitzirkulieren, als Faktor ein. Ich denke hier vor allem an den Schutz der Privatsphäre, die angesichts der Zudringlichkeit und sekundenschnellen Verbreitung durch „Social Media“ im Internet mehr Bedeutung verdient.
Auswahl der Richter entscheidend
Damit kommt einmal mehr die Auswahl der Richterinnen und Richter, denen die Güterabwägung obliegt, ins Spiel. Sie sollte nicht – wie heute – vom Parteibüchlein, sondern von Charakter und Fachkompetenz für die Feintarierung der Verfassungsgüter abhängen.