Von Martin Preisser, St. Galler Tagblatt
Die Internetzeitung «Journal 21» ist fünf Jahre alt. Heiner Hug, ehemaliger «Tagesschau»-Chef, hat die Plattform lanciert. «Journal 21» besetzt eine Nische, wird inzwischen aber als deutliche Stimme in der Medienlandschaft wahrgenommen.
Redet man mit den Machern von «Journal 21», wird man an paradiesische Zeiten im Journalismus erinnert: Hier will eine Internetzeitung nicht mit dem Mainstream schwimmen oder den Leser mit dem überall oft gleichen Kurzfutter langweilen. «Journal 21» muss nicht auf die Quote schauen, sondern bedient den Medienkonsumenten mit fundierten und hintergründigen Texten, die Geschehnisse nicht nur abbilden, sondern analysieren, kommentieren und einordnen. «Der Qualitätsjournalismus geht nicht unter», ist der Zürcher Vollblutjournalist und Medienkenner Heiner Hug überzeugt.
Fundierte Texte sind gefragt
Mit 62 Jahren, das war früher beim Fernsehen für den Kader üblich, ging der «Tagesschau»-Chef in Pension. In der Zeit der Zürcher Zeitungskrise vor fünf Jahren hatte der heute 69jährige Hug die Idee zu «Journal 21» und in nur drei Monaten ein Team von achtzig Korrespondenten zusammengestellt. «Das Bedürfnis nach längeren Texten, die kompetent und mit entsprechendem Background geschrieben sind, ist da», sagt Alex Bänninger, Publizist mit Jahrgang 1942 und einst Kulturchef beim Schweizer Fernsehen.
Kaum jemand in der Medienlandschaft hätte dem neuen «Journal 21», das auf seiner Website mit «journalistischem Mehrwert» wirbt, damals eine Überlebensdauer von mehr als einem Jahr gegeben. Heute nach fünf Jahren hat sich die Internetzeitung einen guten Ruf erschrieben. Viele Tausend Leserinnen und Leser klicken täglich auf das Portal. «Journal 21» ist vorwiegend ein Zirkel von Journalisten über sechzig, wenngleich auch jüngere Autoren mit von der Partie sind. «Wenn jemanden mal das Feuer für den Journalismus gepackt hat, dann brennt dieses Feuer auch nach der Pensionierung», sagt Heiner Hug. Die Liste der Schreibenden liest sich über weite Strecken als Who is who der älteren Schweizer Medienlandschaft. Viele altgediente Journalisten und Redaktoren haben, oft von ihren ehemaligen Arbeitgebern nicht mehr gefragt, bei «Journal 21» eine neue Heimat gefunden, wo sie ihren journalistischen Idealismus ausleben können. «Viele Mitarbeitende, die früher bei konkurrenzierenden Medien gearbeitet haben, kommen hier zusammen. Diese unterschiedlichen Kulturen befruchten sich auf positive Art», sagt Heiner Hug.
Enthusiasmus statt Geld
Das Modell «Journal 21» funktioniert ausschliesslich über Beiträge von Gönnern. Mit deren Zuwendungen werden der Webmaster, die Grafikerin und die Bilder von der Agentur Keystone bezahlt. Die Online-Artikel sind gratis – und sie sind ohne Honorar geschrieben. Auch die Werbebanner, vorwiegend aus der Schweizer Kulturszene, hat «Journal 21» anfangs erst einmal gratis auf die Site gestellt. «Wir denken nicht ans Geld», äusserte sich Heiner Hug einmal in einem Interview. «Unser Auftritt wird von unserem Enthusiasmus getragen. Dieser würde sicher leiden, wenn Geld ins Spiel käme.»
«Die Honorarlosigkeit hat die professionelle Einstellung nicht ruiniert. Wir machen Journalismus quasi in einer konfliktfreien Zone zwischen zu viel und zu wenig Geld», doppelt Alex Bänninger nach. Für viele ältere, erfahrene, aber immer noch leidenschaftliche Journalisten hiesse die Alternative heute sowieso meist honorarfrei schreiben oder gar nicht mehr schreiben, sagt Bänninger. Jeder Mitarbeitende von «Journal 21» schreibt über das, was ihn interessiert und worin er Kernkompetenz hat. Das merkt man den Texten an. Sie verraten Engagement, leben vom Erfahrungsschatz ihrer Autoren und überraschen oft durch interessante Zugänge und spezielle Analysen.
Noch besser werden
Besonderen Wert legt man bei «Journal 21» auch auf sprachliche Sorgfalt. Ein guter Text müsse Eleganz und Klarheit besitzen und das Wesentliche erfassen, findet Alex Bänninger. Nach fünf Jahren Internetpräsenz schauen die Macher von «Journal 21» zufrieden zurück und optimistisch in die Zukunft. «Wir sind, glaube ich, schon heute eine wichtige Stimme in der Schweizer Medienlandschaft, das wollen wir weiter ausbauen und noch besser werden», sagt Heiner Hug. Und dass er eben erfahren hat, dass auch die Schweizer Botschaft in Tunis immer wieder auf «Journal 21» klicke, freut den erfahrenen Medienmann natürlich.