Mit «Limonov: The Ballad» von Kirill Serebrennikow und «The Apprentice», Ali Abassis Porträt von Donald Trump, wurden dieses Jahr zwei Filmbiografien in den Wettbewerb des Festivals aufgenommen. Sowohl Serebrennikow als auch Abassi illustrieren jeweils eine Hauptfigur, die sich selbst genügt; beide Filme spielen, zumindest teilweise, im New York der Siebzigerjahre. Und so unterschiedlich die beiden Figuren sind: weder Trump noch der russische Schriftsteller und Provokateur können (und wollen) auf eine empathische Reaktion seitens des Publikums bauen.
«The Apprentice», der sich als ein Rückblick auf die New Yorker Karriere des Immobilienmoguls erweist, setzt mit einer Illustration des Machthungers des zukünftigen Präsidenten ein: Die Eröffnungsszene zeigt den 27-jährigen Trump, wie er in einem exklusiven Club Manhattans ein junges Model stehen lässt, um den Kontakt mit der einflussreichen Elite der Stadt zu suchen. Der charismatischste Mann der Gruppe, der Anwalt Roy Cohn, der sich mit seinem Zynismus und seiner «Take-no-prisoners»-Mentalität in die Nähe der New-Yorker Milliardäre manövriert hat, nimmt ihn alsbald unter seine Fittiche. Von Cohn wird Trump auch jene Lektionen erhalten, die er in Zukunft mit Perfektion und in jeder Lebenslage applizieren wird: «Immer angreifen, alles leugnen, keine Niederlage zugestehen», wie offensichtlich auch immer diese sein mag.
Da die Handlung — entgegen den Erwartungen, die der Titel wecken könnte — lange vor Trumps Teilnahme an der gleichnamigen Reality-TV-Show endet, werden allerdings auch die Konsequenzen ausgeblendet, die Trumps Wirken auf die Öffentlichkeit haben wird. Für Abassi bietet Trumps politische Zukunft allenfalls die Gelegenheit, «The Apprentice» mit einer Pointe enden zu lassen: Was er zu tun gedenke, falls er eines Tages Bankrott gehe, fragt ihn eine Fernsehjournalistin während eines Interviews im Trump-Tower mit Blick auf die New Yorker Skyline. Er würde vermutlich für die Präsidentschaft kandidieren, lautet die Antwort.
Auch Serebrennikows Inszenierung ist kaum an den tieferen Resonanzen der Zeitgeschichte interessiert: Obschon der Film auf Emmanuel Carrères Roman «Limonov» basiert, spart das Drehbuch die zahlreichen Bezüge aus, die der französische Autor zwischen der Implosion der UdSSR und dem Lebenslauf des russischen Autors ausmachen konnte. Erst am Ende, als mittels eines Zwischentitels der Hinweis erfolgt, dass Limonows Geburtsstadt Charkiw heute von Moskau bombardiert wird, suggeriert die Regie eine mögliche Wechselwirkung zwischen dessen politischer Rhetorik und der Wirklichkeit.
Natürlich bieten Limonows Lebensstationen allein genügend Stoff für eine Fiktion: Als Sohn eines KGB-Offiziers geboren, präsentierte er sich erst in Moskau als Poète maudit, bevor er sich später in New York als Clochard und Butler durchschlug und anschliessend in Paris in der Rolle des «leninistischen» Dissidenten Karriere machte. Während des Kriegs in Jugoslawien trat er als Sniper in Erscheinung, 1994 gründete er die «Nationalbolschewistische Partei Russlands». 2002 schliesslich wurde er im Altai-Gebirge verhaftet und wegen illegalen Waffenbesitzes zu zwei Jahren Haft verurteilt.
Kein Ausblick auf die Gegenwart
Abassis souveräne Regieführung findet adäquate Lösungen, um der Sucht nach Luxus seiner Figur gerecht zu werden: Die grobkörnigen, ausgewaschenen Farbaufnahmen erinnern an die Siebzigerjahre, die glitzernden Accessoires scheinen sich an der Ästhetik von Fernsehserien wie «Dynasty» zu orientieren. Auch die Entscheidung, Trumps Wirkungsfeld wie einen geschlossener Boxring darzustellen, erscheint angesichts dessen komplexfreiem Streben nach Macht als schlüssig.
Serebrennikows Kamera bietet ebenfalls eine eklatante Talentdemonstration, wenn auch mit anderen Intentionen und entgegengesetztem Effekt: In den New Yorker Sequenzen bricht die Regie in einem brechtschen Moment das Dekor der Strassenzüge auf, um Limonows destruktive Selbstbezogenheit zu illustrieren. In seinen stärksten Momenten erinnert «Limonov: The Ballad» an die rastlose Energie von Serebrennikows Erstinszenierung «Leto», allerdings scheint die furiose Rebellion des Protagonisten hier in eine historische Leere zu fallen.
Weder Abassi noch Serebrennikow riskieren in ihren Produktionen einen Ausblick auf die Gegenwart. «Trump ist Trump», beziehungsweise «Limonow ist Limonow» ist das Credo der beiden Regisseure, was ihre Sicht auf ihre Figuren betrifft. Die Tautologien, schrieb einst Roland Barthes, würden die Realität stets auf «berechenbarer Distanz halten». Hier liegen vermutlich auch die Grenzen dieser im Übrigen brillant inszenierten Biografien.