Federico Fellini, am 20. Januar vor hundert Jahren in Rimini geboren, zu Lebzeiten als Drehbuchautor und Regisseur in den Olymp der Siebenten Kunst erhoben, brachte vor dreissig Jahren seinen letzten Film auf die Leinwand und starb vor beinahe so langer Zeit, 1993, in Rom. Filmgeschichtlich auf einem Ehrenplatz, aber jetzt vielleicht nur noch dem Namen nach geläufig und der jüngeren Generation wahrscheinlich fremd.
Der hundertste Todestag bietet – wunderbar – Anlass für Retrospektiven. Um „La strada‟ und Anthony Quinn nochmals oder neu zu begegnen, „Le notti di Cabiria» und Giulietta Masina, „La dolce vita‟ und Anita Ekberg zusammen mit Anouk Aimée, „Otto e mezzo‟ mit Claudia Cardinale und Marcello Mastroianni. Stars vollendeten die Filme als Meisterwerke, den Stars wiederum schuf Fellini Glanzrollen nach Mass.
Suche nach Gott
Mit dem Aufruf, auch ans Publikum, „Lasst uns das Leben feiern, es ist ein Fest“, schliesst „Otto e mezzo“. Das ist die Schlagzeile für Fellinis zwei Dutzend Filme. Doch er wäre ohne herausragende Bedeutung geblieben, ohne internationale Festivalpreise, ohne „Oscars“ für „La strada“, „La dolce vita“, „Otto e mezzo“, „Satyricon“, „Amarcord“ und für sein Lebenswerk, hätte Fellini nicht ein tieferes Anliegen verfolgt, nämlich die Umkreisung, Beschwörung und Ergründung des ewigen Geheimnisses Mensch. Es bestimmte als beglückende und niederschmetternde, als inspirierende und lähmende Faszination seine sämtlichen Filme. Letztlich als Suche nach Gott.
Für Fellini ist der Mensch ein Mysterium mit den „ grossen, irrationalen Linien seines geistigen Lebens, die mit der Vernunft nicht fassbar sind: die Liebe, das Heil, die Erlösung, die Menschwerdung. Und im Zentrum der verschiedenen Wirklichkeiten befindet sich für mich Gott, der Schlüssel aller Geheimnisse.“
„Fellinesk“, der unverkennbare Stil
Fellini beherrschte die Bildsprache als barocke Kunst, mit der er Wirklichkeit und Traum, liebevolle Zuneigung und bittere Parodie, Lust und Laster, romantische Gefühle und intellektuelle Reflektionen in kraftvoll bannende Gemälde verwandelte, immer wieder bevölkert von bizarren Figuren, unreifen männlichen Monstern und voluminösen reifen Frauen. „Fellinesk“ wurde zum eigenen und nicht kopierbaren Stil.
Um seine überschäumende Fantasie auszuleben, bevorzugte Fellini die Arbeit im Studio, wo er frei nach seinen Vorstellungen gestalten konnte.
Aus Liebe zu Italien dessen scharfer Kritiker
Die Menschen in Fellinis Filmen waren Prototypen, die sich zur „comédie humaine“ fügten und in der Verzerrung der Charaktere und des Verhaltens den Blick auf die Realität schärften. Ihr war Fellini ein gnadenloser Kritiker bis zur Wut. Bei aller zärtlichen Liebe zu seiner Heimat entlarvte er „la bella Italia“ als zerrissen und heuchlerisch, mit Abgründen zwischen Reich und Arm und als tanzend auf dem Vulkan. Im Fadenkreuz hatte er Regierung und katholische Kirche. Mit dieser Unerbittlichkeit in einer so klaren wie ungestümen Sprache, sowohl als Regisseur wie auch als exzellenter Zeichner, eroberte er die Herzen des Volkes.
Es nahm an seiner Beerdigung am 3. November 1993 zu Zehntausenden teil. Die Regierung sprang über ihren Schatten und ordnete ein Staatsbegräbnis an. Der Vatikan liess die Gnade der Versöhnung walten mit einer langen Würdigung im „Osservatore Romano“ für die Auseinandersetzung mit fundamentalen Fragen der Existenz.
Vereinnahmen allerdings liess und lässt sich Fellini nicht. Ihn aus der Geschichte in die Gegenwart zu holen ist auch der Unabhängigkeit geschuldet, die er sich im Widerstreit mit der Macht und den Mächtigen bewahrte.