Löblich war es, dass die Hauptausgabe der «Tagesschau» am Samstagabend eine kurze Einblendung aus dem Luzerner KKL brachte, wo die diesjährige Verleihung des Schweizer Filmpreises noch im Gang war.
Monika Schärer war vor Ort und konnte erste Preisträger bekanntgeben. Als Sensation empfand sie, dass der Laiendarsteller von «Stationspiraten», Scherwin Amini, einen «ganz Grossen» geschlagen habe. Gemeint war nun nicht etwa ein Bruno Ganz, sondern lediglich Andrea Zogg, der für seinen Auftritt in «Sennentuntschi» eine Nomination geschafft hatte.
Michael Steiner: Nichts von seinem Dünkel verloren
Der junge Amini hat, was wir ihm nicht verdenken können, zuviel Roger Federer gesehen und konnte deshalb nur immer «unglaublich, unglaublich» sagen. Dass der Regisseur von «Sennentuntschi», Michael Steiner, offenbar nichts von seinem Dünkel verloren hat, illustrierte er, als er – ironisch, versteht sich – vor der Preisverleihung auf die Frage der Moderatorin sagte, dass, «so, wie der Film daherkommt», er die Preise in allen drei nominierten Kategorien verdient hätte.
Nun, die Schweizer Filmakademie – bei Schärer hiess das jeweils «Äcädemi» – hat das zum Glück deutlich anders gesehen. Die von Teilen der Kritik massiv gehypte und an der Kinokasse ganz ansehnlich reüssierende Produktion ging komplett leer aus und ist weder als bester Film noch für den Hauptdarsteller, noch für die Musik ausgezeichnet worden.
"Hingucker der Saison" mit lediglich 13'000 Eintritten
Grundsätzlich gut war die Idee, Monika Schärer eine kleine «Expertenrunde» im KKL versammeln zu lassen, um einige Fragen im Zusammenhang mit dem Schweizer Filmschaffen zu diskutieren. Allerdings wurde auch immer gleich schon klar, dass die Zeit zu nicht viel mehr als zu isolierten Statements reichen würde.
Tatsächlich wäre eine vertiefte Untersuchung zum Phänomen interessant, dass in den letzten Jahren beim Filmpreis wie bei der Teilnahme an renommierteren Festivals Filme aus der Romandie obenaus geschwungen haben.
(Klammer auf: Dass man allerdings darauf verfallen konnte, im Off-Kommentar zu einem Ausschnitt aus dem Vorjahressieger, «Cœur animal» von Séverine Cornamusaz, vom «Hingucker (!) der Saison» zu sprechen, zeigte wieder einmal, dass hier Leute am Werkeln sind, denen neben den statistischen auch die sprachlichen Finessen völlig abhanden gekommen sind. Der höchst beachtliche Erstling hat gerade einmal 13 000 Eintritte geschafft, 7400 in der Deutschschweiz, gut 5500 in der Romandie und 85 im Tessin. Was in keiner Weise gegen ihn spricht. Aber man sollte nicht künstlich aufblähen, was ein Versprechen am Anfang einer Karriere ist. Klammer zu.)
Kein Graben zwischen Deutschschweiz und Westschweiz
Dass man sich aber davor hüten sollte, vorschnell einen Graben zwischen Deutschschweizer und Welschschweizer Filmschaffen zu ziehen, daran erinnerte nicht nur der Umstand, dass der mit dem diesjährigen Quartz gekrönte, sehr überzeugende Preisträger, «La petite chambre» von Stéphanie Chuat und Véronique Reymond, von der Zürcher Produzentin Ruth Waldburger produziert worden ist. Auch der in der Runde anwesende Zürcher Produzent Marcel Höhn, der eben den Preis für sein Lebenswerk hatte entgegennehmen dürfen, verwies darauf, dass er ebenso viele Filme in romanischen Sprachen wie auf deutsch produziert habe.
Was nicht gesagt wurde und was zu einer Polemik gegenüber Abwesenden geführt hätte, war der Hinweis auf die Filmförderungspolitik der letzten Jahre unter Nicolas Bideau (und letztlich Pascal Couchepin), der ironischerweise gerade die Romands deutlich weniger gefolgt sind als die Deutschschweizer Filmschaffenden mit ihrer unseligen Ausrichtung auf ein Genrekino (das in der Regel ganz andere Produktionsmittel benötigte und einen filmindustriellen Hintergrund, wie er hierzulande nicht gegeben ist). Der als Vorwurf an die verschiedensten Gremien formulierten These der Filmemacherin Güzin Kar, dass Komödien es ungleich schwerer hätten als «Dramen», wäre wohl entgegenzuhalten, dass eine gelungene Komödie eben zum Schwierigsten gehört.
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Unübersehbar war jedenfalls Ivo Kummer, dem langjährigen Leiter der Solothurner Filmtage und neuen Chef der Sektion Film im Bundesamt für Kultur, die Befriedigung darüber anzumerken, dass «die Richtigen gewonnen haben».
Nach der Berichterstattung aus Luzern, die diesmal – als Folge der wenig erspriesslichen Übertragung im letzten Jahr? – fast zu knapp ausfiel, ging's auf allen drei Senderketten weiter mit der «langen Nacht des Schweizer Films». Ob da die linke Hand immer gewusst hat, was die rechte tat? Bei SF 2 sahen sich «Tandoori Love» (alles andere als ein Highlight) und «Die Frau mit den 5 Elefanten» jedenfalls starker Konkurrenz auf SF 1 ausgesetzt: erst Peter Bogdanovichs meisterlichem frühem «The Last Picture Show» und dann John Glens Bond-Vehikel «The Living Daylights».