Das mediale Getöse um das deutsche Wahltheater, das in den nächsten Wochen wohl mit einem Jamaika-Blues gut oder schlecht enden wird, hat das Schauspiel, in dem es zur Zeit um ein reales Berliner Theater geht, etwas in Vergessenheit geraten lassen. Seit Monaten tobt in der deutschen Hauptstadt ein mit harten Bandagen geführter Kampf um die Intendanz der renommierten Volksbühne. Die zuständige Behörde hatte den inzwischen zu einem wahren Übermenschen hochstilisierten Frank Castorf pensioniert und den Belgier Chris Dercon berufen, einen Kunst- und erst in zweiter Linie auch Theater-Experten, der zuletzt als erfolgreicher Direktor der Tate Gallery in London gewirkt hatte.
Ob die Berufung Dercons klug war, lässt sich noch nicht sagen. Da müssten er und sein Team zuerst ein paar Inszenierungen zeigen können. Die unangenehme Unerbittlichkeit, mit der ein Teil der Berliner Kulturprominenz, unterstützt von allzeit bereiten Aktivisten, alles versucht, um Dercon auszubremsen, ihn gar nicht erst anfangen zu lassen, ist durch nichts zu rechtfertigen. Sie gipfelte schliesslich in der Besetzung des Theaters. Selbst Castorf, der zur Zeit in Zürich inszeniert und dem man eine Sympathie für die Besetzung nicht verübeln kann, gibt zu bedenken, dass die Volksbühne ein „hochprofessionelles Kunstinstitut“ sei und dass er befürchte, es breche im besetzten Haus ein „schrankenloser Dilettantismus“ aus. Inzwischen sind die Besetzer abgezogen. Techno-Partys sollen während ihres Aufenthalts in der Volksbühne das meiste Publikum angezogen haben: eine eher kunstfreie denn kunstvolle Sparte, konsumgerechte Unterhaltung, für die es kein „hochprofessionelles“ Theater braucht.