Wer hätte das für möglich gehalten? 70 Jahre nach Kriegsende und 50 Jahre, nachdem Israel diplomatische Beziehungen mit Deutschland aufgenommen hatte, fordern israelische Persönlichkeiten Deutschland und Europa dazu auf, offener Kritik an ihrem Land zu üben. „Zu einer dauerhaften Freundschaft gehört, dass man offen, ehrlich und kritisch miteinander umgeht, doch das fehlt bislang in unserem Dialog“, sagte Avi Primor, der ehemalige Botschafter Israels in Deutschland, dieser Tage in einem Interview mit der „Sächsischen Zeitung“.
Desgleichen forderte der frühere israelische Parlamentspräsident Avraham Burg in einem Interview am Deutschlandfunk Europa und Deutschland zu unmissverständlicher Kritik an der israelischen Siedlungspolitik auf und sagte: „Solange sich Deutschland fürchtet, seine Meinung öffentlich zu äussern, wird sich nichts ändern.“
Avi Primor und Avaraham Burg: zwei Persönlichkeit, denen man weder mangelnde Liebe zu ihrem Land noch antisemitische Reflexe unterstellen kann! Zwei israelische Patrioten, die wissen, dass die Liebe zu einem Land eine kritische Haltung gegenüber diesem Land nicht nur duldet, sondern geradezu verlangt. Ausser von linken Intellektuellen und Vertretern der Friedensbewegung ist eine solche Forderung von israelischer Seite bis jetzt noch nie so deutlich erhoben worden. Umso bedenkenswerter ist sie. Die Frage, womit man Israel mehr diene, mit lascher Duldung oder mit konstruktiver Kritik, müssen sich hinfort nicht nur die Freunde Israels in Deutschland, sonder auch diejenigen hierzulande gefallen lassen. Mit Israel-Bashing oder gar Antisemitismus hat dies nicht das Geringste zu tun.