Während der in der Nacht zum Donnerstag abgeschlossenen Generaldebatte der UNO-Vollversammlung hat Ban die Hände von 149 Staats- oder Regierungschefs geschüttelt. Er macht alljährlich mehr Flugkilometer rund um die Erde als jeder andere Politiker. Dennoch gilt er als glanzlos, als eine graue Maus. Seine Reden haben noch niemanden vom Sitz gerissen, vom moralischen Gewicht seiner Position macht er nur selten Gebrauch. Man sagt, unter seiner Führung habe die Weltorganisation stark an Ansehen eingebüsst.
Ban weist diese Vorwrfe natürlich von sich: Er sei eben kein grosser Kommunikator, weil dies seiner fernöstlichen Kultur widerspreche, wo der stille Erfolg zähle. Nur einmal setzte sich der stille Generalsekretär in die Nesseln, als er etwas voreilig die einseitige Unabhängigkeitserklärung Kosovos begrüsste. Russland und China nahmen ihm diesen Schritt sehr übel. Bisher haben weniger als die Hälfte der 192 UNO-Mitglieder Kosovo als souveränen Staat anerkannt. Von einer Aufnahme in die Weltorganisation ist die frühere serbische Provinz weit entfernt. Die Revanche der Russen und Chinesen könnte Ban Ki-Moon nächstes Jahr die Wiederwahl kosten.
Bans erste Amtsperiode läuft 2011 aus. 2006 hatte er erklärt, dass er nach fünf Jahren keine Verlängerung anstreben werde. Mittlerweile hat der 66-Jährige seine diesbezügliche Meinung geändert wahrscheinlich auch deshalb, weil in seinem Heimatland kein wichtiger Posten für ihn offen ist.
In jüngster Zeit ist Ban immer mehr Affronts ausgesetzt. Kürzlich wandte sich bei einem Bankett der für Entwicklungsfragen zuständige Unter-Generalsekretär Sha Zukang mit folgenden Worten an seinen Vorgesetzten: Sie haben mich nie gemocht. Ich mag Sie auch nicht! Sha hatte etwas über den Durst getrunken und entschuldigte sich später für seinen Ausrutscher. Der chinesische Spitzendiplomat hätte aber selbst im Vollrausch keine solche öffentliche Äusserung von sich gegeben, wenn er sich nicht der Unterstützung aus Peking sicher gewesen wäre. Die Genfer UNO-Korrespondenten kennen Sha gut, denn er war vier Jahre lang Botschafter beim Zweitsitz der UNO. Sein Hang zu Alkoholgenuss und Kettenrauchen der Zigarettenmarke Doppeltes Glück blieb nicht verborgen, ebenso wenig seine starke Position innerhalb der chinesischen Diplomatie.
Scharfe Kritik an Ban übte die im Juli abgetretene Unter-Generalsekretrin Inga-Britt Ahlenuis. Die Schwedin war bei der UN für die interne Kontrolle zuständig gewesen. Sie warf dem Generalsekretär auf 50 Seiten eine Kultur der Geheimniskrämerei, Despotismus und mangelnden Reformwillen vor. Die Vize-Botschafterin Norwegens bei der UNO in New York, Mona Juul, schickte vor einem Jahr ein vertrauliches Memorandum an das Aussenministerium ihres Landes, in dem sie an Ban Ki-Moon keinen guten Faden liess. Das Geheimpapier landete bei der Zeitung Aftenposten und wurde dort veröffentlicht.
Wie weit bei den Kritiken an Ban persönlicher Frust mitspielt, ist schwer zu ermessen. Mona Juul jedenfalls hatte sich zuvor erfolglos um einen Spitzenposten im UNO-Generalsekretariat beworben. Sie ist mit Terje Roed-Larsen verheiratet, dem Sonderbeauftragten der UNO im Nahen Osten. Roed-Lassen zeigt offene Ambitionen auf den Posten des Generalsekretärs. Seine Beziehungen zu Ban sind angeblich miserabel.
Die meisten bisherigen Generalsekretäre waren Männer ohne Eigenschaften, wie der Österreicher Kurt Waldheim mit Anspielung auf den unvollendeten Roman seines Landsmanns Robert Musil genannt wurde. Der Ägypter Butros Butros-Ghali wurde vom US-Prsidenten Bill Clinton abgesägt, weil er eine eigene Haltung vertrat. Die damalige US-Aussenministerin Madeleine Albright beschreibt in ihren Memoiren genüsslich, wie sie Kofi Annan zu seinem Nachfolger aufbaute.
Doch auch Kofi Annan geriet in seiner zweiten Amtszeit in grösste Schwierigkeiten. Nachdem er sich in einem Interview der BBC entlocken liess, der Irakkrieg sei illegal gewesen, starteten die Bush-Administration und die Neokonservativen eine Schmutzkampagne gegen den UNO-Generalsekretr. Der republikanische Senator Norman Coleman strengte sogar ein Gerichtsverfahren gegen Annan an. Der sanfte Ghanaer fiel nach Angaben seiner engsten Mitarbeiter in eine tiefe Depression. Das hat Ban Ki-Moon wahrscheinlich im Hinterkopf, wenn er leise tritt.