Nichts. Die einen wollen Leben schützen, die anderen wollen töten. Aber in beiden Fällen handelt es sich um Religionsmissbrauch und Identitätskrise. Am vergangenen Sonntag haben - einmal mehr - Zehntausende von biederen Eltern mit Kindern, gutgelaunte Jugendliche, etwas griesgrämige Alte, einige diskrete Talare und andere militante Alleinstehende in Paris gegen die Familienpolitik der sozialistischen Regierung Hollande protestiert. Das gelatinöse Kollektif "Manif pour tous" (Demo für alle) hatte dies organisiert und finanziert (knapp eine Million Euro).
Nun ist Demonstrieren seit der Revolution der populärste französische Nationalsport. Und ein Priester hatte zudem ja auch zum "Kreuzzug gegen die totalitäre Regierung" aufgerufen. Das Kollektiv war 2012 gegen die "Mariage pour tous", die sogenannte Homo-Ehe, gegründet worden. Diese ist 2013 vom Parlament demokratisch eingeführt worden. Das Kollektiv kämpft jetzt gegen die künstliche Befruchtung von Lesben, gegen die unerlaubte Leihmutterschaft für männliche Homosexuelle, gegen die inexistente Geschlechter-Theorie in den Schulen und gegen den Abbau der Familiensubventionen. Abgeordnete der früheren konservativen Regierungspartei und solche des rechtsextremen Front National sind mitmarschiert.
Das Kollektiv will mehr als andere unter der allgemeinen Gesellschaftskrise leiden (und davon profitieren): Verlust des traditionnellen christlichen Weltbildes, Auflösung der klassischen Familie und Geschlechterrollen, Schwächung der Kirche. Aber auch unter der gefährlichen Entpolitisierung der Bevölkerung wegen der politischen Korruption, der Globalisierung und der Wirtschaftskrise. Aber seine Bedenken sind nicht für die Polemik der Strasse geeignet. Weniger als 30 Prozent unterstützen es in Befragungen. Papst Franziskus hat trotzdem die Präsidentin des Kollektivs zu einer privaten Messe und Audienz empfangen, aber jetzt zu einer "demütigen Kreativität" im Nachdenken über Sexualität und Familie aufgerufen.