«Krähengekrächz» heisst der lautmalerische Titel des jüngsten Buches von Monika Maron. Mit dem schmalen Bändchen legt sie einen Text von gut vierzig Seiten vor, ohne dessen Gattung festzulegen. Diese hält sich schwebend zwischen Erzählung und Essay. Schwebend und zielgenau wie der elegante Flug der Rabenvögel ist auch Monika Marons Sprache. Weder Schwerfälliges noch Unbestimmtes ist in diesem Text. Das kleine Buch ist grosse Kunst. Es führt vor, was Literatur vermag.
Weshalb sie über Krähen schreibt, erklärt Monika Maron mit drei Sätzen: «Natürlich hätte ich mich auch für die Krähen interessieren können, ohne gleich ihren literarischen Nutzen zu bedenken. Aber aus Gründen, die genau zu benennen mir fast unmöglich ist, komme ich beim Nachdenken über die Menschen ohne die Tiere nicht mehr aus. Vielleicht liegt es am Alter, am allmählichen Verfall und dem nahenden Sterben, das mich das Tier im Menschen so deutlich erkennen lässt.»
Der unangestrengte Fluss der Sätze ist das Ergebnis langer Arbeit an Sprache und Form. Ihre Strömung hat Kraft genug, den Leser mitzuziehen, ihm den sicheren Stand zu nehmen, ihm seine Überlegenheit gegenüber den Tieren fraglich zu machen und seine Menschenexistenz in neuen Bezügen vor Augen zu führen.
«Krähengekrächz» tritt einem als einfache Erzählung entgegen: Eine alte Frau beginnt sich für die schwarzen Vögel zu interessieren, versucht mit ihnen Kontakt aufzunehmen und stösst an Grenzen der Verständigung wie auch des Verstehens. Durch die sprachlosen Begegnungen mit der Kreatur dringt die Autorin ins Innerste der Sprache vor.