Es war sicherlich ein reiner Zufall, dass am gleichen Tag, als sich die CS in eine vorbestrafte Bank verwandelte, die auf einen Schlag ihren Besitzern 2,6 Milliarden Dollar abknipste, die «Untersuchung der Finma des Geschäfts der Credit Suisse mit US-Kunden» veröffentlicht wurde. Obwohl diese Untersuchung auf einem «zwischen 2011 und 2012 geführten Verfahren» fusst, das am 21. September 2012 abgeschlossen wurde. Aber nehmen wir an, die Mühlen der Finma mahlten langsam.
Nehmen wir weiter an, Mark Branson, der nach dem Abgang seines Vorgängers Patrick Raaflaub, der die Finma Knall auf Fall verliess, seit 1. Februar interimistisch und seit 1. April 2014 ohne Scherz die Bankenaufsicht offiziell leitet, sich erst einarbeiten musste. Nehmen wir schliesslich an, dass es ja irgendwie blöd gewesen wäre, wenn der Ex-UBS-Kadermann Branson vor dem völligen Debakel der CS hätte beschuldigt werden können, mit seinem Bericht daran mitbeteiligt zu sein. Also warum nicht der 20. Mai 2014 als geeignetes Datum zur Veröffentlichung. Nimmt dann jeder zur Kenntnis, weil sonst nichts los ist.
Gravierende Verfehlungen
Mit einer Verfügung «rügte die Finma die Credit Suisse wegen schwerer Verletzung des Gewährs- und Organisationserfordernisses. Die Credit Suisse hatte ihre Pflichten beim Erfassen, Begrenzen und Überwachen von Risiken im Zusammenhang mit dem US-Geschäft schwer verletzt. Damit setzte die Credit Suisse sich selbst und ihre Mitarbeitenden unverhältnismässig hohen Rechts- und Reputationsrisiken in den USA aus und verstiess somit gegen das Erfordernis der Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit.»
Mehr gibt Beamtendeutsch nicht her, wenn es ein vernichtendes Urteil über das Geschäftsgebaren einer Bank sprechen will. Note unterirdisch, die Gewähr, sozusagen die Lizenz zum Banking in der Schweiz, für «einwandfreie Geschäftstätigkeit» ist nicht gegeben. Nicht in Bezug auf Mitarbeitende, die wurden ja «unverhältnismässigen Risiken» ausgesetzt, sondern in Bezug auf die Bank selbst. Aber wer ist denn die Bank?
Sophistisches Schönschwatzen
Nun könnte der Laie meinen, die Credit Suisse sei kein Abstraktum, sondern wer Credit Suisse sagt, meint damit ihre obersten Repräsentanten, also die Geschäftsleitung unter CEO Brady Dougan und den Verwaltungsrat unter Urs Rohner.
Da täuscht sich der Laie aber mal wieder. Die Credit Suisse ist, nun, halt die CS, ein Ding, Gebäude, Bankomaten, eben alles, wo der Name mit den zwei komisch geblähten Segeln draufsteht. Und womöglich haben diese Segel irgendwelchen Unsinn angestellt, dafür gehören sie natürlich ausgeschimpft, vielleicht müsste man sie sogar reffen.
Weisswäscherei
Nachdem die Finma auf immerhin acht der insgesamt 17 Seiten ihres Untersuchungsberichts der CS, also wohl diesen beiden Segeln, das Eingehen «unverhältnismässig hoher Risiken» und «schwere Verletzungen des Organisations- und Gewährserfordernis» aufzählt und detailliert nachweist, nimmt sie sich auch ihre Mitarbeiter zur Brust: «Die Linienverantwortlichen insbesondere des US-Länderdesks nahmen ihre Verantwortung nur unzureichend war. Support- und Kontrollfunktionen haben Warnsignale nicht aufgenommen bzw. nicht weitergeleitet.»
Also unglaubliche Zustände, die die von der CS-Führung behaupteten rund 15 untergeordneten Mitarbeiter anrichten konnten. Da nimmt der Laie doch schwer an, dass ein solches Tohuwabohu gerade im Verhältnis zu den USA, die ja seit einiger Zeit als nicht gerade pflegeleicht beim Betreuen ihrer Steuerzahler bekannt sind, sich an der Führungsspitze der Bank nicht unbemerkt vorbeischleichen kann. Schliesslich konstatiert die Finma «Mängel» bei der Risikoerfassung, -begrenzung und -überwachung, was zu einer «schweren Verletzung des Gewährserfordernisses» führte. Also auf Deutsch: Gohts no?
Aber schon wieder täuscht sich der Laie. Nach einer erschütternden Aufzählung von Verfehlungen kommt die Bankenüberwachungsbehörde zum Schluss: «Hingegen fand die Finma keinen Hinweis darauf, dass das Senior Management der Credit Suisse von konkreten Verfehlungen Kenntnis gehabt hätte.» Nochmal auf Deutsch: Geht’s noch?
Nicht zu fassen
Versuchen wir – es ist nicht einfach! – dieser Logik zu folgen. Nach Ansicht der US-Behörden kümmerten sich rund 4000 CS-Mitarbeiter um die Betreuung von US-Kunden. Am Flughafen Zürich wurde extra eine nur für ihre Betreuung geschaffene Filiale eröffnet. Schon 1997 wird die externe Treuhandgesellschaft Dörig Partner gegründet, die sich der Herstellung von Spezialkonstrukten für US-Steuerzahler widmet. Sie schlug ihr Hauptquartier am Bleicherweg 33 auf, das Hochhaus zur Palme gehört der Credit Suisse, die dort auch gerne selbst diskret Kunden empfängt.
Und all das erfolgte ohne Wissen der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrats der Credit Suisse? Oder vielleicht mit, dann aber «ohne Kenntnis von konkreten Verfehlungen»? Die ging davon aus, das diene nur zur sowohl in der Schweiz wie in den USA völlig legalen Betreuung von US-Kunden? Als Ausdruck bewährter Schweizer Servicefreundlichkeit, grosse Tradition eben?
Wer das glaubt, glaubt sicher auch, dass CS-Kundenberater ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch «zu gesellschaftlichen Zwecken» in die USA reisten. Socialising, gemeinsames Golfspielen, Übergabe von Schokolade und der besten Fondue-Rezepte halt. Aber Beratung, Hilfe, gar Beihilfe zu in den USA strafbarer Steuerhinterziehung? Um Himmels willen nein!
Selbst wenn wir der Finma folgen wollen, dass die Bankführung von all dem nichts gewusst hat, was Tausende von Mitarbeitern da so trieben: Dann muss sie nicht wegen Verwicklung darin, sondern wegen Unfähigkeit abgesetzt werden. Tertium non datur, wenn Logik noch etwas gilt.