Angela Merkel habe sich nach einem Telefonat mit Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu am 21. Februar – drei Tage, nachdem die Bundesregierung im UN-Sicherheitsrat für den Entwurf der palästinensischen Autonomieregierung gestimmt hatte, der die israelische Siedlungspolitik verurteilt – davon enttäuscht gezeigt, dass dieser den Frieden nicht fördere. Das Gespräch habe unter „extremer Spannung“ gestanden, und es sei zu gegenseitige Beschuldigungen und scharfen Erklärungen gekommen, zitiert Ravid eine deutsche Quelle.
Zornig habe Merkel reagiert, als sich Netanyahu davon enttäuscht gezeigt habe, dass die deutsche UN-Mission seiner Bitte nicht gefolgt sei, dem Resolutionsentwurf die Stimme zu verweigern. „Was wagen Sie sich?“, habe die Bundeskanzlerin geantwortet. „Sie sind es doch gewesen, der uns enttäuscht hat. Sie haben keinen einzigen Schritt für den Frieden unternommen.“
Zunehmende Isolierung Israels
Netanyahu habe angekündigt, in zwei oder drei Wochen eine neue Rede zum Friedensprozess zu halten. Merkel, heisst es in dem Bericht Ravids weiter, habe veranlasst, dass bei israelischen und US-amerikanischen Vertretern geklärt werde, ob Netanyahus Wille ernsthaft sei oder ob er lediglich mehr Zeit gewinnen und den internationalen Druck abfedern wolle.
Ravid selbst fügt hinzu, er habe bei seinen Recherchen herausgefunden, dass Netanyahu und seine Berater verzweifelt nach einem Weg suchen würden, angesichts der internationalen Isolierung Israels den Friedensprozess neu zu starten. In der bevorstehenden Rede wolle der Ministerpräsident die Schaffung eines palästinensischen Staates in vorläufigen Grenzen auf fünfzig Prozent der Westbank vorschlagen. Dabei vertraue er auf das Schwarze-Peter-Spiel, dass die Palästinenser seine Initiative ablehnen würden.
Zum Hintergrund der tiefen Verstimmung zwischen beiden Regierungschefs gehört die Rede Netanyahus vor wenigen Tagen in der Knesset. Dort hatte er ausgeführt, dass die regionale Instabilität noch Jahre anhalten könne, wiederholte seine Ablehnung des unter Ariel Sharon 2005 vollzogenen einseitigen Rückzugs aus dem Gazastreifen und machte klar, dass die israelische Präsenz im Jordantal auch dazu diene, den Einmarsch Irans nach „Judäa und Samaria“ zu verhindern.
Furcht vor europäischen Lösungsvorschlägen
Am 27. Februar berichtet Barak Ravid in „Haaretz“, Netanyahu fürchte, dass die Gespräche mit dem Nahost-Quartett in wenigen Tagen in Brüssel darauf hinauslaufen würden, Israel international unter Druck zu setzen, die Verhandlungen mit den Palästinensern auf der Grundlage der Grenzen vor dem Junikrieg 1967 aufzunehmen. Wenn die EU-Außenminister in zwei Wochen in Paris zusammenkämen, würden sie gegenüber Israel mit Lösungsvorschlägen für die zentralen Probleme aufwarten. Um ein für Israel ungünstiges Szenario abzuwenden, habe das Amt des Ministerpräsidenten Kontakt mit der US-Administration aufgenommen, um herauszufinden, was genau in Paris zu erwarten sei.
Am 28. Februar erklärte Netanyahu vor der „Likud“-Fraktion, dass die Siedlungsaktivität trotz des internationalen Drucks möglichst weitergehen solle. Es habe grosser Anstrengungen bedurft, um die USA im UN-Sicherheitsrat am 18. Februar zum Veto zu veranlassen. Zur Begründung seines Plans für einen vorläufigen palästinensischen Staat erklärte Netanyahu am 1. März laut israelischen Presseberichten, dass die Palästinenser zu einen Endstatus-Vertrag nicht bereit seien. Damit wolle der Premier, heisst es weiter, einen Versuchsballon mit der Erwartung starten, dass die Palästinenser seinen Plan ablehnen würden.
Wie zu erwarten, wies Machmud Abbas‘ Sprecher Nabil Abu Rudeineh am 4. März die kolportierte Idee Netanyahus nachdrücklich zurück, einem palästinensischen Staat in vorläufigen Grenzen zuzustimmen. Zur gleichen Zeit machten israelische Pressemeldungen die Runde, wonach Netanyahu wegen der internationalen Isolation Israels tief besorgt sei und nach einem Durchbruch suche, wobei er allenfalls auch die Spaltung des „Likud“ in Kauf nehmen könnte. Das US-Veto im UN-Sicherheitsrat könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass Washington sich nur unter großen Mühen zu dieser Entscheidung durchgerungen habe, seitdem es die Siedlungsaktivitäten Israels grundsätzlich ablehne. Deshalb werde der angekündigte Vorstoß Netanyahus mit Skepsis bewertet.