„Kunst und Humor von der Antike bis heute“ lautet der Untertitel der Ausstellung „Komödie des Daseins“ im Kunsthaus Zug. Matthias Haldemann präsentiert, unterstützt von einem breit gefächerten Team, in allen Räumen des Hauses weit über 300 Skulpturen, Zeichnungen, Druckgrafiken, Malereien, Kleinobjekte.
Was ist Humor?
Vor uns haben wir ein Doppelporträt: Wir sehen, spiegelbildlich, zweimal beinahe den gleichen Kopf. Der obere trägt eine Tiara, die Papstkrone. Der untere hat offenes Haar. „Papst und Teufel“, so der Titel der um 1600 entstandenen Malerei – ein bitterböses Propagandabild reformierten Ursprungs im Zeichen konfessioneller Streitereien. (Anonymer Künstler aus den Niederlanden)
Wir sehen einen weissen Holzstuhl mit geknickten Hinterbeinen. Es macht den Anschein, als habe sich der Stuhl selber zur Ruhe gesetzt. (Timm Ulrichs 1970)
„Maske mit Bäh-Zunge“ heisst das höchst merkwürdige Objekte, ein asymmetrisches Gesicht mit Kulleraugen und einem Lappen als Zunge. (Meret Oppenheim, ohne Jahr)
Ein Mann, rot auf schwarzem Grund, dickbauchig, mit überdimensioniertem Penis, in der Hand eine Art Tasche, tanzt oder hüpft in weitem Schritt über ein Gefäss. (Aktos, um 269/250 v. Chr.)
Ironie? Satire? Humor?
Ob da alles Humor ist oder Komödie? Oder Satire? Oder Ironie? Wir kommen besser nicht ins Grübeln, denn so genau lässt sich das gar nicht feststellen.
„Humor ist, wenn man trotzdem lacht“, soll Otto Julius Bierbaum 1909 gesagt haben. Und Werner Frick konstatierte: „Die Welt ist heute da, wo der Spass aufhört und der Humor beginnt.“ Nach einem Augenschein in der in Themengruppen wie „Humor als Waffe“, „Eine andere Welt“, „Das Komisch-Obszöne“, „Kunstparodien“ oder „Selbstkomödien“ gegliederten Schau lässt sich schliessen: Für die Zuger Ausstellungsmacher ist Humor stets mit Doppelbödigkeit, mit gebrochenem und entlarvtem Pathos und wohl auch mit selbstironischem Hohngelächter über ein brüchig-gefährdetes Dasein verbunden. Mit Spass jedenfalls hat Humor wenig, mit Ernst hingegen sehr viel zu tun: Es ist der Ernst des letzten Hoffnungsankers – des hier befreienden, dort gequälten Lachens über die Welt und über uns selbst.
Sarkasmus? Provokation?
Nicht alle Besucherinnen und Besucher werden die Werke gleich humorvoll finden. Der ausruhende Stuhl von Timm Ulrichs entlockt wohl allen ein Lachen oder mindestens ein Schmunzeln. Und die erotische Präsentation auf der Vase? Vielleicht – als Lachen über hilflose und zugleich drollige Potenzprotzerei. Meret Oppenheims „Maske mit Bäh-Zunge“ wirkt clownesk und verfehlt ihre Wirkung nicht. Das Papst-Teufel-Porträt ist ein sarkastisches Polit-Pamphlet; Humor schimmert hier höchstens als letzte Waffe durch. Ähnlich die vielen Karikaturen, die von politischen und kulturellen Spannungen in aller Welt zeugen und meist aus der Position der unterdrückten oder missverstandenen, jedenfalls benachteiligten Minderheit heraus zum Angriff auf die etablierte Macht blasen.
Vieles, Kunstparodien zum Beispiel, ist Lachen über sich und seinesgleichen. Anderes wiederum ist so vielschichtig und komplex, dass von Humor nur mehr am Rand die Rede sein kann: Ein Beispiel ist Kabakovs monochrom-blaue Malerei mit dem Titel „This is the Sky, This is a Lake, This ist the Sea“. Sie sticht direkt ins Zentrum der Auseinandersetzung um Wahrnehmung, Stellvertretung, Konvention oder Subjektivität – ein Stück reduzierter Bild-Philosophie. Dem Video Bruce Naumans „A Violent Incident“ kann ich wenig Humoristisches abgewinnen. Da empfinde ich eher Sarkasmus. Auch Martin Kippenbergers Arbeiten wirken auf mich kaum als Ausfluss von Humor (auf andere vielleicht schon) – und wenn schon Humor, dann als bewusste und bitterböse, wenn vielleicht auch heilsame Provokation.
Spielarten des Denkens
Was ist Humor? Die Ausstellung kann und will keine einfache Antwort geben. Sie führt aber aus verschiedenen Perspektiven Spielarten des Denkens in Bildern vor. Das macht sie spannend und ambivalent in ihrer Argumentation. Haldemanns Ausstellung liebt Gegensätze, Schärfen und mitunter auch Drastik. Und sie ist zeitraubend, denn ohne Musse und ohne die (mitunter tolerante) Bereitschaft, sich auf all das auch einzulassen, geht es nicht. Wer es liebt mitzudenken, wird aber im Kunsthaus Zug eine vergnügliche Zeit verbringen – und vielleicht auch gerne wiederkommen.
Es ist erstaunlich, was Matthias Haldemann und sein Team alles ans Tageslicht fördern – aus eigenen Depots, aus Museen und Bibliotheken aus ganz Europa und aus vielen Privatsammlungen. Sieben Jahre Recherche waren dazu nötig. Erstaunlich ist auch, was an Originalen oder Originalgrafiken, Multiples, überhaupt an Bildbelegen bedeutender Künstlerinnen und Künstler den Weg nach Zug fand. Nur einige Namen aus der langen und prominenten Künstlerliste: Lukas Cranach, Hans Baldung Grien, Francisco de Goya, William Hogarth, Heinrich Füssli, Jean-Etienne Liotard, Gustave Doré, James Ensor, Hans Arp, viele Dadaisten, Kasimir Malewitsch, Marcel Duchamp, Kurt Seligman, Karl Kraus, Alfred Kubin, John Heartfield, Dieter Roth, Günther Brus, Ilya Kabakow, Pablo Picasso, Paul Klee, Meret Oppenheim, Joseph Beuys, Maria Lassnig, Markus Raetz, Martin Kippenberger, Nam Jun Paik, Jean Frédéric Schnyder, Pavel Pepperstein, Pipilotti Rist, Urs Lüthi, Christoph Rütimann, Cindy Sherman.
Kunsthaus Zug: Komödie des Daseins. Kunst und Humor von der Antike bis heute, bis 6. Januar 2019, Publikation zur Ausstellung 48 Franken.