Der neue CEO der neuen Raiffeisen-Privatbank, welch lustiger Verstoss gegen alle Grundprinzipien der Raiffeisen-Mentalität, heisst Adrian Künzi. Der hat aber weiterhin einen Nebenjob, denn seit 2007 ist er Gesellschafter bei Wegelin & Co. Von den insgesamt 29 Teilhabern der zerbrochenen Privatbank gehört er damit zum exklusiven Kreis von 8, die unbeschränkt und solidarisch mit ihrem gesamten Privatvermögen haften. Genau wie Magne Orgland, der ebenfalls zu Notenstein wechselte.
«Bad Bank» Wegelin
Der Notverkauf von Wegelin an Raiffeisen war nötig geworden, weil sich die 1741 gegründete Privatbank durch die finanzielle Beherbergung von US-Steuerpflichtigen einem existenziellen Risiko ausgesetzt sieht. Das lastet weiterhin auf allen persönlich haftbaren Teilhabern und kann, im schlimmsten Fall, zu deren Privatkonkurs führen. Unabhängig davon, ob sie inzwischen zurückgetreten sind. Frage eins: Ist es wirklich eine gute Idee, einen dermassen im Feuer stehenden Banker zum CEO zu machen? Pierin Vincenz, der auch im Hypothekarmarkt einen scharfen Reifen fahrende Boss von Raiffeisen, hält das «Risiko für vertretbar». Schliesslich habe auch die Schweizer Bankenaufsicht FINMA keine Einwände erhoben. Die FINMA weiss, was die amerikanische Steuerbehörde IRS und das US-Justizministerium mit Wegelin, Hummler, Künzi und Co. noch vorhaben?
Was macht der Bundesrat?
Als sich die Schlinge um Wegelin zuzog und bevor der erste Gesellschafter Christian Hafner von seinen Funktionen (aber natürlich nicht von seiner solidarischen Haftung) entbunden wurde, gebietet der gesunde Menschenverstand die Vermutung, dass Wegelin-Gesandte beim Bundesrat auf der Matte standen, um auszuloten, welche Hilfe sie, analog UBS, zu erwarten hätten. Schutz gegen extraterritoriale Übergriffe der Amerikaner, politische Schützenhilfe, was auch immer. Offensichtlich lautete die Antwort der Landesregierung: Löst euer Problem alleine. Frage zwei: Hängt es also lediglich von der Grösse einer Bank ab, ob sogar mit Notrecht und Ausserkraftsetzen rechtsstaatlicher Prinzipen geholfen wird?
Und die anderen?
In wenigen Jahren, das muss festgehalten werden, ist es Konrad Hummler und Co. nicht nur gelungen, ihr eigenes Lebenswerk zu zerstören, sondern auch eine mehr als 250-jährige Tradition im Orkus verschwinden zu lassen. Wie das für die privat haftenden Teilhaber ausgeht, ist noch offen. Wie steht es aber mit den anderen Schweizer Banken, die vor dem genau gleichen Problem stehen? Also in erster Linie Credit Suisse, Bank Julius Bär, Basler und Zürcher Kantonalbank? Befinden die sich nicht auch in einer «existenzbedrohenden Lage», wie das Hummler formulierte? Beredtes Schweigen bislang, kein Kommentar. Die wohlbestückten Kommunikationsabteilungen sind auf Tauchstation, die Bosse, von CS-Präsident Rohner abwärts, sehen keinen Grund, Golfspielen, Cüplianlässe oder entspannende Besuche von Filmfestivals zu unterbrechen. Frage drei: Verlassen sich diese persönlich haftungsfreien Angestellten wirklich darauf, dass in ihrem schlimmsten Fall der Steuerzahler und/oder der Aktionär die Suppe auslöffeln muss?
Systemrelevanz
Wagen wir eine Prognose. Die Credit Suisse hat die Karte «du kommst aus dem Gefängnis frei», im Gegensatz zur UBS, noch nicht ausgespielt. Notfalls ist CS systemrelevant, «too big to fail» und kann sich darauf verlassen, von der Schweizer Regierung rausgehauen zu werden. Das gilt wohl auch für die beiden Kantonalbanken. Bleibt also noch Julius Bär. Zwei Mitarbeiter der Bank, die noch vor kurzem neben Raiffeisen für die Sarasin-Bank mitbot, sind in den USA wegen «Verschwörung» angeklagt. Sie sollen laut Anklageschrift rund 180 US-Steuerzahlern dabei geholfen haben, mehr als 600 Millionen Dollar auf nicht deklarierten Konten zu verstecken. Wenn man die 780-Millionen-Busse hochrechnet, die die UBS zahlen musste, kommen wir hier alleine auf finanzieller Ebene auf einen Gesamtbetrag, der sich wohl in Milliardenhöhe bewegen wird. Also höher als das Eigenkapital der beteiligten Banken ist. Von den Auswirkungen auf das Kundenvertrauen, immer noch das absolut entscheidende Kapital jeder Bank, ganz zu schweigen.
Finstere Zeiten
Als wären die Rahmenbedingungen, Euro- und Finanzkrise, nicht schon beunruhigend genug, hat der Finanzplatz Schweiz hier also ein zusätzliches Problem, das an seine Substanz geht. Träumen wir einen Moment davon, wie es heute in der Eidgenossenschaft aussehen würde, wenn aus der Finanzkrise I im Jahre 2008 die naheliegenden Konsequenzen gezogen worden wären. Verabschiedung vom nur Verluste bringenden Investmentbanking, Aufgabe des Steuerhinterziehergeschäftsmodells, damit Rettung des Bankgeheimnisses und strahlende Attraktivität des Finanzhafens Schweiz. So könnten heute überall Champagnerkorken knallen. Nicht nur in den Villen von Bonus-Bankern, die ihre unverschämten Gewinne, die aus Verlusten auf allen Gebieten generiert wurden, weiterhin geniessen dürfen. Während Aktionäre und Steuerzahler die Zeche zahlen müssen.